Resultate der Arbeitsgruppe zur Advocacyarbeit des MMS Symposiums vom 28.10.2015, Carole Küng

Entwicklungszusammenarbeit in der Defensive und die Konsequenzen fürs Netzwerk Medicus Mundi Schweiz

De Carole Küng

Die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit steckt in der Defensive. Dies war der Ausgangspunkt der Diskussionen der Advocacy Arbeitsgruppe am Medicus Mundi Symposium. Das Budget der schweizerischen Entwicklungszusammenarbeit steht unter Druck und das politische Klima verspricht keine Besserung.

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Entwicklungszusammenarbeit in der Defensive und die Konsequenzen fürs Netzwerk Medicus Mundi Schweiz

Die Arbeitsgruppe "Advocacy" am diesjährigen MMS Symposium (Foto: Christoph Engeli / MMS)


Bereits der Schweizerische Minimalkompromiss von 0.5% des Bruttosozialproduktes für die Entwicklungszusammenarbeit ist gefährdet. Dies obwohl die Sustainable Development Goals (SDG’s) von Mitteln in Höhe der international seit langem angestrebten 0.7% des Bruttoinlandproduktes von Ländern mit hohen Einkommen ausgehen.

Neue globale und nationale Zielsetzungen und Leitlinien für die Entwicklungszusammenarbeit

Neue globale Zielsetzungen für die Entwicklungszusammenarbeit setzen künftig auf die Sustainable Development Goals (SDGs). Für die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit sind die SDGs eines von drei strategisch wichtigen Leitdokumenten. Die weiteren Zielsetzungen werden von folgenden beiden nationalen Dokumenten bestimmt:

  • Die Botschaft zur internationalen Zusammenarbeit der Schweiz von 2017 bis 2020: Sie stützt sich auf den Bundesverfassungsartikel 54 zur Linderung von Not und Armut in der Welt, zur Achtung der Menschenrechte und zur Förderung der Demokratie, zu einem friedlichen Zusammenleben der Völker sowie zur Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen. Sie zeigt die dazugehörigen operationellen Aktivitäten und entsprechende Rahmenkredite auf.
  • Die Strategie nachhaltige Entwicklung des Bundesrates (SNE, 2016-2019): Dieses Dokument (pdf) beinhaltet die Nachhaltigkeitsstrategie für die Schweiz (gemäss Verfassungsauftrag Art. 2 und 73 BV) und koordiniert die Abstimmung von Bund, Kantonen, Gemeinden, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Die schweizerische Nachhaltigkeitsstrategie berücksichtigt auch die globalen Auswirkungen unseres Handelns (zum Beispiel beim Thema nachhaltiger Konsum und nachhaltige Beschaffung). Federführend war bisher das Bundesamt für Raumplanung (ARE). Im Zuge der neuen Global Goals for Sustainable Development wird die Schweizer Nachhaltigkeitsstrategie 2016-2019 derzeit mit den neuen globalen Zielen abgestimmt. Eine künftig koordinierte Federführung von ARE, DEZA (Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit) und SECO (Staatssekretariat für Wirtschaft) läge auf der Hand, wobei die genaue Rollenverteilung derzeit noch offen ist. Eine grosse, mit den SDGs einhergehende Neuerung für die Schweiz wird sein, dass sich die Schweiz selbst international an den Gesundheitszielen bis 2030 messen und vergleichen lassen muss.

Auswirkungen auf die Advocacy Arbeit des Netzwerkes Medicus Mundi Schweiz

Wie können die genannten drei Leitdokumente als Werkzeug für unsere Advocacyarbeit dienen? Welche Ansatzpunkte und Argumente bieten sie, um aus genannter Situation der derzeitigen Defensive der Entwicklungszusammenarbeit auszubrechen? Dies waren die zentralen Fragen einer Arbeitsgruppe während des MMS Symposiums vom 28.Oktober 2015.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer plädierten dafür, dass MMS aus diesen Dokumenten gesundheitsrelevante Schlüsselbotschaften herausarbeitet. Alle MMS Mitgliederorganisationen, sollen diese Schlüsselbotschaften in ihre Kommunikation integrieren, um mit gemeinsamer Stimme nach aussen zu treten. Gleichzeitig soll eine parallele Zusammenstellung von Schlüsselbotschaften seitens der DEZA angeregt werden.

MMS soll als Netzwerk in dieser Advocacy Arbeit nicht alleine voranschreiten. Zentral ist das Vorgehen in breit abgestützter Partnerschaft. Genannt wurde die Zusammenarbeit mit der Alliance Sud, der NGO-Plattform und wenn möglich auch der Einbezug von Wirtschaftsakteuren. Letztlich soll als Zielgruppe die gesamte Gesellschaft angesprochen und involviert werden. Wie kann beispielsweise „Gesundheit für alle“ stärker in die Bildung für Nachhaltige Entwicklung einfliessen? Zudem vereint MMS grosses Know-how und hat mit dem Symposium eine starke Plattform für Wissensaustausch, welche auch anderen Sektoren besser zugänglich gemacht werden könnte. Wissen und Umsetzungskapazitäten für „Health in all policies“ kann dadurch gestärkt werden.

Die Arbeitsgruppen des MMS Symposiums ermöglichen einen intensiven Austausch (Foto: Christoph Engeli / MMS)


Schlüsselbotschaften

Kommen wir zum Inhalt unserer Schlüsselbotschaften. Bei Betrachtung der einzelnen SDGs fällt auf, dass die Mehrzahl der 17 Ziele als Determinanten der Gesundheit betrachtet werden können. Dies soll im Detail aufgearbeitet und aufgezeigt werden. Zudem sollen auch die genannten nationalen Leitdokumente in konsolidierte Schlüsselbotschaften einfliessen. Die Ausarbeitung dieser Key Messages bedingt ein sehr sorgfältiges Timing, zumal die SDG’s erst jetzt in die Bundesrätliche Strategie für Nachhaltige Entwicklung eingearbeitet werden.

Zwei Ereignisse könnten ein breiteres Publikum von unseren Anliegen überzeugen:

  • Ebola: Es kann in Zahlen eindrücklich gezeigt werden, wie viel günstiger es gewesen wäre, rechtzeitig in die Stärkung von Gesundheitssystem zu investieren, statt anschliessend die für alle weit höher ausgefallene Rechnung der Ebola-Krisenintervention zu begleichen. Zudem blieb der Job der Stärkung der Gesundheitssysteme bisher unerledigt und muss jetzt unter Bezahlung dieser zusätzlichen Rechnung nachgeholt werden.
  • Die Migrationskrise: Idealerweise werden die SDGs weltweit nachhaltige Lebensgrundlagen schaffen, die es ermöglichen könnten, einer Migrationskrise vorzubeugen. Wichtig scheint diesbezüglich jedoch der Hinweis von Martin Leschhorn Strebel, Geschäftsführer von MMS während des Symposiums, dass die jetzigen Migrationsströme meist nicht aus typischen Entwicklungszusammenarbeitsländern zu uns kommen, sondern hauptsächlich aus Krisengebieten, welche im Kontext von mehrheitlich diktatorischen regierten Ländern entstanden sind.

Gesundheit muss eine wichtigere Rolle in der humanitären Hilfe spielen. Es sollte jedoch beachtet werden, dass dies nicht auf Kosten der Basishilfe geschieht. Bei der Stärkung der Gesundheit in der humanitären Hilfe wird, gegeben durch die Organisationsstruktur der DEZA, ein klares Defizit gesehen. Auch der an der Tagung anwesende Botschafter Thomas Greminger bestätigte in der Plenumsdiskussion, dass das Thema Gesundheit in der humanitären Hilfe noch zu wenig berücksichtigt werde. So wird auch in der Arbeitsrunde kritisiert, dass derzeit bei humanitären Interventionen eine langfristige Stärkung der Gesundheitssysteme nicht möglich ist.

Fazit

Zusammenfassend gilt: Die SDGs fordern uns auf allen Ebenen heraus, aus dem engeren Kreis herauszutreten und in breiter Allianz voranzuschreiten. MMS wird Schlüsselbotschaften ausarbeiten. Dabei werden die drei Leitdokumente (SDG’s, neue Botschaft, Strategie nachhaltige Entwicklung Schweiz) berücksichtigt und in Bezug zu den Gesundheitsdeterminanten gesetzt. Diese Schlüsselbotschaften sollen von allen MMS Mitgliederorganisationen mit gemeinsamer Stimme nach aussen getragen werden. Gleichzeitig wird eine ebensolche Zusammenstellung von Schlüsselbotschaften seitens der DEZA angeregt.

Multisektorielle Zusammenarbeit und gemeinsam abgestimmte Kommunikation soll die MMS Advocacy Arbeit prägen, wenn es darum geht, die globale Aufräumaktion der SDG’s anzupacken und die in den SDG’s vorhandenen Determinanten der Gesundheit in die gewünschte Richtung zu beeinflussen.

Referenzen:

Botschaft über die Internationale Zusammenarbeit 2013–2016: http://www.seco-cooperation.admin.ch/org/00515/05210/index.html?lang=de

Strategie Nachhaltige Entwicklung 2016-2019 (SNE):  pdf

Carole Küng
Carole Küng
Geschäftsführerin der Swiss Malaria Group,