De Carine Weiss
Laut dem UNFPA Bericht «The State of World Population 2022: “Seeing the Unseen: The case for action in the neglected crisis of unintended pregnancy”» würde es noch 160 Jahre dauern, bis wir Teenager Schwangerschaften beendet haben. Die Problematik dahinter ist vielschichtig. Nicht-Regierungs-Organisationen reagierten als erste auf die Herausforderung von Schwangerschaften bei Jugendlichen. Ihre Projekte und Forschungsstudien zeigten, dass Schwangerschaften und Geburten bei Jugendlichen durch entsprechende Massnahmen reduziert werden können. Heute ist es wichtig, dass Regierungen diese Bemühungen aufnehmen und das Problem national bekämpfen.
Im Laufe der Jahre gewann man neue Erkenntnisse über die Ursachen und Folgen des Kinderkriegens im Jugendalter, was vermehrt politische Handlungen und ein gesteigertes Gefühl der Dringlichkeit, das Problem endlich anzugehen, hervorgerufen hatte. Heute wissen wir, dass jugendliche Schwangerschaften und Kinderkriegen einen enormen Tribut fordern, sowohl von den Mädchen, als auch von ihren Familien und der Gesellschaft.
Nicht alle Geburten bei Jugendlichen sind auf ungewollte Schwangerschaften zurückzuführen. Ein Grossteil der Geburten bei Mädchen unter 18 Jahren finden innerhalb einer Ehe oder einer Partnerschaft statt, was durch neue Forschungsergebnisse der Bevölkerungsabteilung der Vereinten Nationen bestätigt wurde (UN DESA, 2022 not yet published). Viele dieser Schwangerschaften können durchaus als "beabsichtigt" eingestuft werden, obwohl die Möglichkeiten für junge Mädchen, selbst zu entscheiden, wann und mit wem sie Kinder haben wollen, stark eingeschränkt ist, bzw. meist nicht zur Diskussion steht. (UNFPAa, 2022).
Frühzeitige Geburten bzw. Schwangerschaften und Entbindungen im Jugendalter können die ansonsten gesunde Entwicklung von Mädchen beeinträchtigen und sich negativ auf ihre Bildung, ihren Lebensunterhalt und ihre Gesundheit auswirken. Frühe Schwangerschaften sind eine Folge von mangelndem Schulbesuch, unzulänglicher Information und Gesundheitsversorgung. Tiefverwurzelte Normen und Werte innerhalb einer Gesellschaft tragen wesentlich dazu bei, dass die Präventionsarbeit von Teenageschwangerschaften nur langsam vorankommt. Dazu kommt die Tabuisierung der Sexualität von Jugendlichen, was dazu führt, dass Jugendliche oft ungeschützten Sexualverkehr praktizieren.
Frühzeitige Geburten bzw. Schwangerschaften und Entbindungen im Jugendalter können die ansonsten gesunde Entwicklung von Mädchen beeinträchtigen und sich negativ auf ihre Bildung, ihren Lebensunterhalt und ihre Gesundheit auswirken.
Teenageschwangerschaften kommen am häufigsten in ärmeren und marginalisierten Gemeinschaften vor. Viele Mädchen stehen unter erheblichem Druck, früh zu heiraten und bereits im Kindesalter Mutter zu werden. Etwa 90 % der Geburten von Mädchen im Alter von 15 bis 19 Jahren in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen finden im Rahmen einer Frühehe statt, in der häufig ein Machtungleichgewicht herrscht, die Mädchen keinen Zugang zu Verhütungsmitteln haben und unter Druck gesetzt werden, ihre Fruchtbarkeit zu beweisen.
Seit dem Ausbruch von COVID-19 hat die Zahl der
Teenagerschwangerschaften zugenommen, während den Mädchen das Recht verweigert
wurde, Entscheidungen über ihre sexuelle und reproduktive Gesundheit und ihr
Wohlergehen zu treffen. Die Auswirkungen auf die ärmsten Länder und die Länder
mit schwachen Gesundheits-, Sozial-, Kommunikations- und Regierungssystemen
sind noch nicht in vollem Umfang sichtbar. COVID-19 bedingte Schulschliessungen
haben möglicherweise unbeabsichtigt die Barrieren für Mädchen in Bezug auf den Zugang
zu Bildung und sexuelle und reproduktive Gesundheit vergrössert. Die hart
erkämpften Errungenschaften bei der Verringerung von Teenagerschwangerschaften
sind weitgehend verloren gegangen, und es stellt sich die Frage, wie wir
Teenagerschwangerschaften bekämpfen und die am stärksten gefährdeten Mädchen in
und ausserhalb von Pandemien schützen können.
Jedes Jahr erleben heranwachsende Mädchen im Alter von 15 bis 19 Jahren in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen schätzungsweise 21 Millionen Schwangerschaften, von denen fast die Hälfte davon - 10 Millionen – ungewollt sind. Mehr als ein Viertel dieser 21 Millionen - schätzungsweise 5,7 Millionen - enden mit einer Abtreibung, die meisten davon finden unter unsicheren Bedingungen statt (UNFPA 2022b).
In den 28 Jahren seit der Internationalen Konferenz über Bevölkerung und Entwicklung (ICPD in Cairo) wurden bei Jugendlichen bemerkenswerte Fortschritte in Bezug auf ihre sexuelle und reproduktive Gesundheit erzielt. So ist beispielsweise die Geburtenrate bei Jugendlichen weltweit von 47,9 Geburten pro 1.000 Mädchen im Jahr 2010 auf 41,2 Geburten pro 1.000 Mädchen im Jahr 2020 zurückgegangen. Die Rückgangsraten sind ungleichmässig, wobei der stärkste Rückgang in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara und den lateinamerikanisch-karibischen Ländern zu verzeichnen ist, obwohl die Raten dort immer noch höher sind als in anderen Weltregionen. Der Grund für die ungleichmässigen Rückgangsraten liegt in der Geschlechterungleichstellung, den patriarchalen Machtstrukturen und dem Mangel an staatlichem Willen, die Problematik anzugehen.
In einer wachsenden Zahl von Ländern übernehmen die Regierungen die Führung und haben gross angelegte (landesweite) und nachhaltige Programme lanciert, die nachweislich zu einer Verringerung von Schwangerschaften und Geburten bei Jugendlichen in unterschiedlichen Kontexten geführt haben, so zum Beispiel in Chile, England, Äthiopien und Jamaika. Sie haben gezeigt, was mit visionärer Führung, guter Wissenschaft und starkem Management möglich ist. Sie fordern andere Länder auf, es ihnen gleichzutun.
Das Webinar, das Medicus Mundi Schweiz in Partnerschaft mit der WHO, IBP, ExpandNet, Exemplars in global health, GFMER, FP2030, und AFIDEP durchgeführt hatte, veranschaulichte auf eine besondere Art und Weise, dass der politische Wille ein entscheidender Faktor ist, wenn es darum geht, national das Problem der Teenagerschwangerschaften zu minimieren. Wenn die richtigen staatlichen Akteure schon in den frühesten Planungsphasen involviert sind und alles getan wird, um die Eigenverantwortung der Regierung für die Initiative zu stärken, dann wird sich alles andere leichter ergeben.
Der politische Wille kann auf vielfältige Weise erzeugt werden: Es ist wichtig, dass sektorübergreifend und unter Einbezug verschiedener Behörden ein strategisches und koordiniertes Vorgehen mit der Regierung angestrebt wird. Es erwies sich als entscheidend, Gesetze, Strategien und programmatische Rahmenbedingungen zu ändern und in einigen Fällen zu vereinheitlichen, um die Umsetzung zu erleichtern.
In Jamaika bedeutete dies, dass die Massnahmen direkt mit den nationalen Zielen verknüpft werden mussten. In Chile war es ebenfalls klar, dass die Festlegung klarer Rollen für die verschiedenen Interessengruppen einen grossen Unterschied machte. In Chile trug die Verbesserung des Informationssystems durch die Einbeziehung neuer Datenpunkte - wie die Hinzufügung einer Altersdifferenzierung - und die verstärkte Erhebung von Dienstleistungsstatistiken dazu bei, die Entscheidungsfindung zu verbessern. Es wird ja schon seit langem gefordert, dass altersdifferenzierte Gesundheitsdaten erhoben werden sollten. Eine solche Informationserfassung und -synthese hat sich in England als entscheidend erwiesen, wo anhand von Echtzeitdaten nachgewiesen werden konnte, dass das umfassendere Paket der empfohlenen Massnahmen zu besseren Ergebnissen führte.
Die vier Länderbeispiele England, Jamaica, Chile und Ethiopien zeigen, dass mit dem Willen der Landesregierungen unglaubliche Ziele erreicht werden können und die Situation für Jugendliche entscheidend verbessert werden kann. Es ist Zeit, dass die Regierungen Verantwortung übernehmen. Ressourcen sind da, Geld ist vorhanden, aber es braucht den Willen, damit der Stein ins Rollen gebracht wird!