De Nicola Imseng
Massenüberwachung, Bestechungen, Wirtschaftsspionage – die Tabak- und Nikotinindustrie nutzte ihre wirtschaftliche Macht, um Massnahmen zur Einschränkung des Tabakkonsums auf dem Kontinent zu beschränken und behandelt afrikanische Staaten in neokolonialistischer Manier als potentielle Märkte für ihre schädlichen Produkte, die es auszubeuten gilt. Leidtragende sind nicht zuletzt die bereits von ernsten Gesundheitsproblemen wie HIV/Aids betroffenen, vulnerablen Teile der Bevölkerung. Ein kurzer Streifzug.
Eigentlich ist die Angelegenheit hinlänglich bekannt. Bereits 1995 konstatierte der für die afrikanischen Geschäftstätigkeiten von British American Tobacco (BAT) zuständige Manager, in Afrika sei ein kaum messbarer Reichtum vorhanden und es gäbe keinen Mangel an Möglichkeiten, sofern man diese Gelegenheit nur ergreifen würde (Chamberlain 2021). Gemeint war damit das vorhandene wirtschaftliche Wachstumspotential: BAT wie auch Philip Morris haben, da der Zigarettenkonsum in westlichen Ländern allmählich rückläufig geworden ist, Afrika ins Visier genommen, den jüngsten und am schnellsten wachsenden Kontinent der Erde, welcher den Tabakmultis eine spannende Perspektive bot, um die junge Bevölkerung abhängig von ihren Produkten zu machen (Brown 2021). Diese aggressive Marktexpansion ging einher mit einer Reihe korrumpierender Tätigkeiten und Aktivitäten an der Grenze zur Legalität, wie neue Berichte dokumentieren (Brown 2021).
Auch der kürzlich erschienene African Regional Tobacco Industry Interference Index 2021 verweist auf die Einmischung der Tabakindustrie in vielen Ländern des Kontinents. Von den weltweit über 8 Millionen tabakbedingten Todesfällen ereignen sich die meisten in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen, insbesondere in Afrika und im Nahen Osten. Afrika beherbergt viele grosse Tabakproduktionsländer wie Simbabwe, Malawi, Sambia oder Mosambik. Und Südafrika ist ein wichtiger Markt für Zigaretten (Singh et al. 2021).
Die Anfänge der wirtschaftlichen Tätigkeit von British American Tobacco (BAT) in Afrika reichen über 100 Jahre zurück. Lange Zeit war der „koloniale Riese“ (Chamberlain 2021) Marktführer, zuerst als Importeur, dann als Verarbeiter von lokalen und internationalen Marken, und musste wenig Konkurrenz fürchten. Das Unternehmen mit Hauptsitz in London unterhält auch Büros in Lausanne sowie eine Produktionsanlage in Boncourt (Kanton Jura), die der Konzern in den 1960er-Jahren der jurassischen Industriellenfamilie Burrus abgekauft hatte. 2019 generierte das Unternehmen einen Umsatz in Höhe von 25,8 Milliarden Britischen Pfund. In vielen afrikanischen Regionen, in denen Grossbritannien früher Kolonien kontrollierte, hat BAT seit jeher ein Monopol auf den Zigarettenverkauf inne. Auch heute noch profitiert BAT von diesem kolonialen Erbe und hält afrikanische Zigarettenmärkte in seinem Würgegriff (ASH UK 2008).
Um junge und neue Kund:innen zu gewinnen und ihre Zigarettenmarken zu positionieren, verfolgte BAT eine äusserst aggressive Geschäftspolitik. Eine Analyse von Whistleblower-Dokumenten im Zusammenhang mit den Tätigkeiten von BAT in Ost- und Zentralafrika ergab Hinweise auf eine Vielzahl fragwürdiger Zahlungen in Burundi, den Komoren, der Demokratischen Republik Kongo, Kenia, Malawi, Ruanda, Sudan, Tansania, Uganda und in Sambia. BAT nutzte diese Gelder, um die Politik zu seinen Gunsten zu beeinflussen und die Tätigkeiten der Konkurrenz zu sabotieren (Jackson et al. 2021). Das erstaunliche Ausmass dieser Bestechungsgelder lässt sich für die Jahre 2008 bis 2013 folgendermassen beziffern: in diesem Zeitraum sind 236 Zahlungen in der Gesamthöhe von 601'502 USD dokumentiert, welche an Politiker:innen, Journalist:innen, Beamte, Angehörige Parlamentarischer Ausschüsse, Mitarbeitende von Konkurrenzunternehmen und viele andere gingen. Es scheint, dass diese Zahlungen systematisch von leitenden Mitarbeitenden, einschliesslich derer im Londoner Hauptsitz, koordiniert wurden (Jackson et al. 2021). So gingen bspw. mehr als 28'500 USD an Quellen innerhalb der kenianischen Steuerbehörde und mehr als 38'500 USD an einen ehemaligen Justizminister als Gegenleistung für nachrichtendienstliche Informationen.
Ein besonders eklatanter Auswuchs neokolonialistischer Geschäftspolitik bildeten Verhandlungen zwischen BAT und Robert Mugabes ZANU-PF Partei im Jahr 2013. Während BAT in seiner offiziellen Kommunikation nicht müde wird, immer wieder zu behaupten, das Unternehmen halte sich an höchste Standards für seine unternehmerischen Tätigkeiten, belegen Dokumente, dass BAT dem ehemaligen Präsidenten von Simbabwe eine Bestechung zwischen 300'000 und 500'000 Dollar angeboten haben soll, um beim Spionieren für BAT gefassten Personen aus dem Gefängnis zu holen (Brown 2021).
Während BAT in seiner offiziellen Kommunikation nicht müde wird, immer wieder zu behaupten, das Unternehmen halte sich an höchste Standards für seine unternehmerischen Tätigkeiten, belegen Dokumente, dass BAT dem ehemaligen Präsidenten von Simbabwe eine Bestechung zwischen 300'000 und 500'000 Dollar angeboten haben soll, um beim Spionieren für BAT gefassten Personen aus dem Gefängnis zu holen.
In Südafrika verfolgte der Tabakriese vor allem ein Ziel: die Geschäfte der Konkurrenz zu schwächen und deren Betrieb so weit wie möglich zu stören, um das Marktmonopol aufrechterhalten zu können (Rowell und Aviram 2021). Ein weiterer Bericht der Forschenden der University of Bath kommt zum Ergebnis, dass BAT in Südafrika, dem am stärksten industrialisierten und reichsten Land des Kontinents, in möglicherweise illegale Informantennetzwerke, staatliche Einflussnahmen und den potentiellen Schmuggel seiner eigenen Produkte verwickelt war (Rowell und Aviram 2021).
Historisch betrachtet war British American Tobacco South Africa (BATSA) der grösste Hersteller und Vertreiber von Raucherwaren im Land, jedoch kam er während der letzten Dekade unter Beschuss von lokalen Marken. Südafrika bildete zwar nicht den grössten Markt von BAT auf dem Kontinent, der Staat hatte jedoch ökonomischen Einfluss auf weite Teile des südlichen Afrikas (Chamberlain 2021). So hatte BAT in Südafrika unrechtmässige Überwachungsmassnahmen durchgeführt und unter dem Vorwand der Schmuggelbekämpfung Organisationen zwielichtiger Provenienz angeheuert. Für die besonders schmutzige Arbeit wandte BAT sich an die Forensic Security Services (FSS) (Chamberlain 2021). Viele Mitglieder der FSS waren Veteranen der berüchtigten Apartheidspolizei, der Reaction Unit, die für ihre brutale Gewalt bekannt war. Beweise deuten darauf hin, dass BAT mithilfe der FSS Wirtschaftsspionage betrieb und in Büros von Konkurrenzunternehmen einbrach, Abhörgeräte platzierte, Lieferungen überwachte sowie gefälschte Kontrollen und Beschlagnahmungen durchführte, um deren Betrieb zu stören. (Chamberlain 2021). Des Weiteren war BAT Teil des staatlichen Tobacco Tasks Teams zur Bekämpfung des illegalen Handel, welches BAT unterwanderte und in die gewünschten Bahnen lenken konnte (Chamberlain 2021).
Mit den erwähnten Aktivitäten gelang es dem Konzern, seinen Einfluss auf die Gesundheitspolitik vieler afrikanischer Länder auszuweiten und erfolgreiche Tabakkontrollmassnahmen zu bekämpfen.
Mit den erwähnten Aktivitäten gelang es dem Konzern, seinen Einfluss auf die Gesundheitspolitik vieler afrikanischer Länder auszuweiten und erfolgreiche Tabakkontrollmassnahmen zu bekämpfen. Die Aufzählung illegaler Machenschaften könnte man fast endlos weiterführen. Es ist offensichtlich, dass die hier erwähnten Aktivitäten der Tabakindustrie verheerende Auswirkungen auf die Verbreitung von Krebsarten und rauchbedingte Todesfälle auf einem Kontinent haben wird, der bereits einen relativ dünnen Gesundheitsschutz aufweist, sowie mit der Eindämmung übertragbarer Krankheiten wie Malaria oder HIV/Aids und der Sicherstellung einer allgemeinen Gesundheitsversorgung ringt.
Gleichzeitig erinnert das Verhalten von BAT an die tiefen kolonialen Wurzeln der Tabakindustrie, die die lokalen Gesetze, die Wirtschaft und den Handel sowie die Gesundheit und das Wohlergehen der Menschen in LMICs des Kontinents missachtet, wie Akinbode Oluwafemi, Vorsitzender der African Tobacco Control Alliance, konstatiert (University of Bath; Stopping Tobacco Organizations and Products (STOP) 13.09.2021).