Was Covid-19 die internationale Gesundheitszusammenarbeit lehrte

Covid-19: Die Gesundheitskrise, die uns alle betraf

De Carine Weiss

Im November 2021 führte Medicus Mundi Schweiz das MMS-Symposium in Basel durch und untersuchte die wichtigsten strukturellen Determinanten, die zu den unverhältnismässigen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf marginalisierte und andere Gruppen beigetragen haben und zwar über die unmittelbaren Ursachen der aktuellen Krise hinaus. Ausserdem wurden die Möglichkeiten des Konzepts "Gesundheit für alle" sowie der internationale Vertrag zur Pandemieprävention und -vorsorge erörtert, der später auf einer Sondersitzung der Weltgesundheitsversammlung im November 2021 diskutiert wurde.

Temps de lecture 3 min
Covid-19: Die Gesundheitskrise, die uns alle betraf
Photo by Martin Sanchez on Unsplash

Die COVID-19-Pandemie erinnert uns daran, dass kein Land allein wirksam auf Gesundheitsbedrohungen in einer globalisierten Welt reagieren kann. Eine globale Steuerung ist notwendig, um die globalen Gesundheitsmassnahmen zu koordinieren. Die COVID-19-Pandemie hat jedoch tiefe Risse in der globalen Gesundheitsgouvernanz offenbart.


Die Errungenschaften bezüglich HIV, TB und Malaria sind zunichte gemacht worden

Die Gesundheitssysteme waren durch Covid-19 weitgehend überlastet. Millionen von Menschen hatten und haben keinen Zugang zu lebensrettenden Gesundheitsdienstleistungen für nicht übertragbare Krankheiten und psychische Gesundheit. Die Fortschritte bei der Bekämpfung von HIV, Tuberkulose, Malaria und vielen anderen Krankheiten sind ins Stocken geraten oder haben sich verschlechtert. Laut dem Globalen Fond sind die grossen Fortschritte der letzten 20 Jahren weitgehend eliminiert worden.

Im Jahr 2020 sank die Zahl, der Menschen, die vor der Pandemie gegen arzneimittelresistente Tuberkulose behandelt wurden, in den Ländern, in denen der Globale Fonds investiert, um erschreckende 19 %, wobei die Zahl der Menschen, die vor der Pandemie gegen extensiv arzneimittelresistente Tuberkulose behandelt wurden, mit 37 % sogar noch stärker zurückging. Auch die Massnahmen zur Bekämpfung von Malaria waren betroffen: Die Zahl der Testungen gegen Malariaverdachtsfälle ging um 4,3 % zurück. Ähnlich negative Auswirkungen waren bei der HIV-Bekämpfung zu beobachten: Im Vergleich zu 2019 ging die Zahl der Menschen, die von HIV-Präventionsprogrammen und -diensten erreicht wurden, 2020 um 11 % zurück, und die Zahl der HIV-Tests sank um 22 %, was in den meisten Ländern den Beginn der Behandlung verzögerte und so die Neuansteckungsrate steigerte.

Laut dem Globalen Fond sind die grossen Fortschritte der letzten 20 Jahren weitgehend eliminiert worden.

Die Auswirkungen der Covid-Pandemie

Millionen von Kindern konnten nicht gegen andere lebensbedrohliche Krankheiten geimpft werden und haben monatelang keine Schulbildung erhalten. Millionen von Menschen haben ihren Arbeitsplatz verloren oder sind in die Armut gestürzt. Noch heute kämpft die Weltwirtschaft gegen die Rezession und ein Ende ist nicht wirklich in Sicht. Covid-19 hat die Anfälligkeit und Ungleichheit des globalen Wirtschaftssystems offengelegt und verschärft.

Viele Länder, darunter auch die USA, erwiesen sich als unfähig, einfache Produkte wie Gesichtsmasken herzustellen, ganz zu schweigen von komplizierteren Produkten wie Beatmungsgeräten. Mehrere Lieferketten wurden unterbrochen. Die daraus resultierende Tortur führte dazu, dass mehr Produktionsstätten an Land geschaffen wurden. Der hässliche Nationalismus der Länder, die Impfstoffe gehortet hatten und Profite über Leben stellen, zeigt keine Anzeichen für ein Abklingen, trotz seiner potenziell verheerenden Folgen für die Welt.

Die Bedeutung der Wissenschaft wurde einmal mehr erkannt, war aber gleichzeitig auch unterminiert worden, so dass sich Fehlinformationen durch die sozialen Medien ungehindert verbreiten konnten. Weit schlimmer als dies, ist die Tatsache, dass sich Ungleichheiten vergrössert haben.

Photo by Taylor Brandon on Unsplash
Photo by Taylor Brandon on Unsplash


Wir können diese Pandemie, die Pandemie der Ungleichheit (inequity) nennen

Infektionen, Krankenhausaufenthalte und Todesfälle sind zwischen den Bevölkerungsgruppen innerhalb eines Landes sehr ungleich verteilt. Weltweit ist das Risiko, an COVID-19 zu sterben, für einkommensschwache und marginalisierte Menschen um ein Vielfaches erhöht, im Vergleich zu wohlhabenderen Menschen, die in derselben Region leben. Die grösste Ungleichheit zeigte sich beim Zugang zu Impfstoffen.

Einer der grundlegendsten Schutzmassnahmen, das Händewaschen, ist in einer von drei Gesundheitseinrichtungen weltweit nicht möglich, aufgrund der mangelnden Wasserversorgung.

Andererseits hat die Pandemie auch die Ungleichheiten verschärft. Es steht ausser Frage, dass eine der Ursachen für die Pandemie der ungleiche Zugang zu Ressourcen und Gesundheitsdiensten war. Millionen von Menschen, insbesondere Frauen, wurden noch tiefer in die Armut getrieben, während die massiven Unterbrechungen im Bildungswesen die ärmeren Kinder am meisten betroffen haben.

Bereits vor COVID-19 waren die Voraussetzungen, die gesundheitsbezogenen Ziele der SDGs (sustainable development goals) zu erreichen, ungünstig. Jetzt sind wir noch weiter im Rückstand.

Die COVID-19-Pandemie zeigt, dass, wenn die Gesundheit gefährdet ist, alles gefährdet ist: Wirtschaft, Arbeitsplätze, Handel, sozialer Zusammenhalt, politische Stabilität und Multilateralismus.

Deshalb darf Gesundheit nicht als Luxus betrachtet werden, sondern als ein fundamentales Menschenrecht und die Grundlage für soziale, wirtschaftliche und politische Stabilität und Sicherheit. Es ist eine Investition, die sich auszahlt, nicht nur für die soziale Entwicklung eines Landes, sondern auch für die Wirtschaft.

Photo by Vladimir Fedotov on Unsplash
Photo by Vladimir Fedotov on Unsplash
Letztendlich wird diese Pandemie enden, aber wir werden immer noch mit vielen Herausforderungen wie zuvor konfrontiert sein: Es gibt keinen Impfstoff gegen Armut, Klimawandel, Rassismus, Ungleichheit und viele der anderen gemeinsamen Bedrohungen, denen wir gegenüberstehen.

Resiliente Gesundheitssysteme versus fortschrittliche medizinische Versorgungssysteme

Resiliente Gesundheitssysteme, die den Menschen Zugang zu den benötigten Leistungen bieten, wo und wann sie diese benötigen, auch auf Gemeindeebene, ohne dass sie in finanzielle Not geraten, sind die Grundlage der globalen Gesundheitssicherheit.

Wir müssen jedoch erkennen, dass ein widerstandsfähiges Gesundheitssystem nicht dasselbe ist, wie ein fortschrittliches medizinisches Versorgungssystem.

Viele Länder investierten in die moderne medizinische Versorgung, während sie die öffentliche Gesundheit und die medizinische Grundversorgung zu wenig berücksichtigt haben. Als COVID-19 ausbrach, fehlten gemeindebasierte Gesundheitsversorgungseinrichtungen, die für alle erreichbar und kostengünstig waren.

Als Grundlage einer allgemeinen Gesundheitsversorgung ist die Basisgesundheitsversorgung (Primary Health Care), eine der wichtigsten Stützen gegen den Ausbruch von Krankheiten, aber auch für die Bereitstellung von Diensten für übertragbare und nicht übertragbare Krankheiten, einschliesslich der psychischen Gesundheit. Eine allgemeine Basisgesundheitsversorgung dient auch der Verhütung und Abschwächung der Auswirkungen sozialer, wirtschaftlicher und umweltbedingter Gesundheitsfaktoren, nicht zuletzt für den Klimawandel.

Letztendlich wird diese Pandemie enden, aber wir werden immer noch mit vielen Herausforderungen wie zuvor konfrontiert sein: Es gibt keinen Impfstoff gegen Armut, Klimawandel, Rassismus, Ungleichheit und viele der anderen gemeinsamen Bedrohungen, denen wir gegenüberstehen.

Referenz

Carine Weiss
Carine Weiss ist Projektleiterin bei Medicus Mundi Schweiz. Email