De Beatrice Mazenauer
MediCuba Suisse unterstützt in Kuba viele Projekte. Ein Arm ist die Entwicklung der Prävention im Alter, damit Senior:innen möglichst lange gesund und sozialintegriert zu Hause leben können. Im ersten Projekt, das 2023 abgeschlossen werden konnte, wurde eine Art Spitex-Organisation aufgebaut, welche nebst der Hilfe und Pflege zu Hause auch Dienstleistungen anbietet, dies von unserer Pro Senectute, der Pro Infirmis und z.B. der Alzheimervereinigung aus einer Hand. Dieses Projekt wurde auf dem Land durchgeführt in der Provinz Matanzas, in Colón, einer Gemeinde so gross wie der Kanton Jura mit etwa gleich vielen Einwohner:innen. Das Folgeprojekt soll die Hauptergebnisse auf die ganze Provinz ausdehnen – dies mit dem Einverständnis und der Unterstützung der Provinzregierung und im Rahmen der schriftlich festgehaltenen Rechte der alten Menschen.
Kuba ist unter den Ländern Südamerikas und der Karibik das Land mit den meisten alten Menschen. Im Schnitt sind rund 20% älter als 60 Jahre. In der Provinz Matanzas mit seinen 13 Gemeinden sind mehr als 22% der Einwohner:innen im Rentenalter. Matanzas zählt rund 710‘000 Einwohner. Es handelt sich um ca. 150‘000 Menschen, die im Kreis der Familie leben, wenn die geistigen oder physischen Kräfte nachlassen. Kubaner:innen werden dank der guten medizinischen Versorgung im Durchschnitt ca. 80 Jahre alt. MediCuba Schweiz will mit diesen Projekten die Sozialpolitik auf Gemeindeebene stärken und die nationale Alterspolitik mitprägen.
Bereits in der Verfassung, welche die Kubaner:innen 2019 in einem Referendum mit grosser Mehrheit angenommen hatten, sind u.a. nebst dem kostenlosen Zugang zu den medizinischen Leistungen auch die Rechte der Senior:iInnen prominent enthalten. Der Familienkodex, der ebenfalls neulich revidiert wurde, konkretisiert diese Rechte und erwähnt z.B. das Recht auf ein würdevolles Familienleben oder das Recht auf autonome Entscheide im Alter. Der Gewalt in der Familie wird der Kampf angesagt und die Verwahrlosung der Alten gilt als verpönt. Diese fortschrittlichen Artikel müssen jetzt mit Leben gefüllt werden.
Der Familienkodex, der ebenfalls neulich revidiert wurde, konkretisiert diese Rechte und erwähnt z.B. das Recht auf ein würdevolles Familienleben oder das Recht auf autonome Entscheide im Alter. (...) Diese fortschrittlichen Artikel müssen jetzt mit Leben gefüllt werden.
Die angewendeten Boykottmassnahmen ersticken den kubanischen Staat. Der Zugang zum internationalen Finanzsystem bleibt verschlossen. Die Wirtschaftskrise ist enorm, die Versorgung z.B. mit Lebensmitteln schlecht, der öffentliche Verkehr abhängig vom importierten Benzin. Kuba kann mangels Devisen die Infrastruktur nicht erneuern. Ausdruck davon war der landesweite Stromausfall Mitte Oktober 20241.
Die Bevölkerung ist sehr gut ausgebildet. Viele junge Menschen verlieren heute aber den Glauben an eine bessere Zukunft. Seit 2022 sind rund 1,5 MioMio. Menschen ausgewandert. In Kuba fehlen immer mehr Fachleute in allen Bereichen. Im Land bleiben die alten Menschen und die Kinder in Ausbildung.
Kuba setzt bei der Versorgung der alten Menschen konsequent auf „ambulant vor stationär“. Die Ressourcen fehlen, um die Heime, die nötig wären, zu bauen. Die alten Menschen wohnen auch aus kulturellen Gründen im Kreis der Familie, mit Zugang zu Tageszentren für alte, auch demente Menschen. Von den Kindern und Grosskindern wird erwartet, dass sie die Grosseltern würdevoll mit Respekt umsorgen. Die fortschrittliche Gesetzgebung (oben erwähnt) und der Umgangston zwischen den Generationen ist aber nicht immer deckungsgleich. Dies muss geändert werden.
Die kubanische Regierung favorisierte immer die Prävention (vor der Reparatur) – das belegen die Impfprogramme für Kleinkinder oder jene gegen Corona mit äusserst wirksamen, in Kuba hergestellten Impfstoffen. Es ist somit nichts neues, dass die Regierung und das staatliche Gesundheitswesen bei Menschen ab 60 heute prioritär auf präventive Interventionen setzen, um die physischen und die psychischen Kräfte zu stärken, so dass Rentner:innen sozialintegriert den dritten Lebensabschnitt geniessen können.
Das MediCuba Projekt unterstütze diesen Ansatz und zielte auf die Stärkung der Kompetenzen von Familienangehörigen (Kinder, Grosskinder als pflegende Angehörige), von Fachleuten der Altersbetreuung (Ärzteschaft und Krankenpflegende, Psycholog:innen und Sozialarbeitende oder Physio- und Ergotherapeut:innen) und von den alten Menschen selbst (Stärkung der kognitiven Fähigkeiten, der physischen oder psychischen Kräfte, keine Vereinsamung). Im Zentrum stand dabei die Demenz- und Sturzprävention und die Erziehung der Jugend zu einem respektvollen Umgang mit der Generation ihrer Grosseltern. Grundsätzlich wollte man Einwohner:innen jeden Alters erreichen. Denn ein Altern in Würde ist nur möglich, wenn alle Generationen einen respektvollen Umgang pflegen.
Es ist somit nichts neues, dass die Regierung und das staatliche Gesundheitswesen bei Menschen ab 60 heute prioritär auf präventive Interventionen setzen, um die physischen und die psychischen Kräfte zu stärken, so dass Rentner:innen sozialintegriert den dritten Lebensabschnitt geniessen können.
Die Schauspielerinnen (es waren beinahe ausschliesslich alte Frauen) bestimmen autonom das Thema, entwickeln die Geschichte und führen es vor einem grossen Publikum (vorwiegend alte Männer) im Tageszentrum für Betagte auf. Ich sah dort eine Szene an einer Bushaltestelle, wo alle Jungen und Alten höflich fragen, wer der Letzte in der wartenden Kolonne sei. Kommt der Bus, stürzen sich die Jungen hinein und sitzen; es stehen die langsamen, gebrechlichen Menschen. Nächste Szene: der alte Mensch sitzt im Schaukelstuhl zu Hause und liest Zeitung. Der Herr des Hauses kommt müde von der Arbeit. Er vertreibt die Grossmutter aus dem Schaukelstuhl und entreisst ihr Zeitung. Nun macht er sich zufrieden breit im Schaukelstuhl und „geniesst“ den Feierabend.
Die Schauspielerinnen sind in der Gruppe sozial integriert, lernen Texte auswendig und halten so ihr Gehirn in Schwung. Sie wählen Themen, welche im Alltag Probleme verursachen und die Respektlosigkeit zeigen. Jugendliche, Schauspielerinnen und Zuschauer:innen sollen lernen, was ein respektvoller Umgang mit alten Menschen konkret bedeutet. Im Anschluss an die Theatervorführung diskutieren alle gemeinsam.
Hausärzt:innen oder Pflegefachpersonen klären in Kuba einmal im Jahr alle Menschen über 60 mit einem Abklärungsinstrument ab. Dieses ist im ganzen Land einheitlich und enthält alle wesentlichen Bereiche (Hören, Sehen, Gleichgewicht, Kognition, Ernährung u.a.m.). Dieses Instrument wurde im Projekt als App konzipiert. Die Fachleute können so die Daten einfach speichern und haben immer Datenzugang. Früher waren es Papierdatenberge.
Die Funktion Video und Fotographie im Smartphone wird für die medizinische Beratung auf Distanz eingesetzt. Man überwindet so die Probleme des schlecht ausgebauten öffentlichen Verkehrs. Im Projekt haben wir dafür 10 Standorte ausgebaut, welche nebst der Beratung auch für Kurse gebraucht werden können.
Weil das Wohnen im Kreis der Angehörigen gefördert wird, müssen viele Laien geschult werden. Es soll vermieden werden, dass die Angehörigen sich überfordern und am Schluss selbst erkranken. Das gesamte Wissen wurde in einer Broschüre2 zusammengefasst, welche für die Ausbildung der Angehörigen im Umgang mit Demenzbetroffenen, bei Sturz eingesetzt werden kann.
Im Moment konzipieren wir zusammen mit dem Direktor des Projektes in Colón die Ausdehnung der wesentlichsten Erkenntnisse auf die ganze Provinz. MediCuba Suisse unterstützt dabei die Provinzregierung und das öffentliche Gesundheitswesen bei der grossen Herausforderung, für 20% der Bevölkerung ein zufriedenes Leben im Alter, möglichst frei von Sorgen zu fördern.
Die Stromzentralen aus Zeiten der Sowjetunion sollten ersetzt werden. Zu deren Betrieb ist Benzin nötig. Wenn dieses fehlt, kann kein Strom produziert werden.
Die Broschüre ist auf Papier und digital vorhanden. Die Kurse werden als Präsenzunterricht und als Online-Kurs angeboten.