By Denis Hofer and Manuela Wälchli
In Burkina Faso unterstützt CBM Schweiz ein regional angelegtes Programm zur Verbesserung des Zugangs zu Gesundheitsdienstleistungen und deren Qualität für Menschen mit psychischen Behinderungen. Gleichzeitig wird die Stärkung und der Kapazitätsaufbau von Selbsthilfeorganisationen unterstützt. Dabei arbeitet CBM mit dem Gesundheitsministerium und mit dem Ministerium für soziale Aktion und nationale Solidarität zusammen. Aufgrund der positiven Erfahrungen im englischsprachigen Westafrika orientiert sich das Programm und die Partnerschaft seit Beginn am WHO Mental Health Gap Action Programme (mhGAP). CBM ist implementierender Partner der WHO für mhGAP und aktiv an der Erarbeitung und Einführung des Teilbereichs ‚Parent Skills Training‘ beteiligt.
In Burkina Faso, wo rund 6.5% des BIP in die öffentliche Gesundheit fliessen, leidet der Bereich Psychische Gesundheit besonders unter der chronischen Unterfinanzierung. Trotz Erhöhung der Gesundheitsausgaben um rund 118% zwischen 2003 und 2009 (INSD 2012) standen gemäss CBM-internen Zahlen 2013 dem Nationalen Programm für Psychische Gesundheit lediglich XOF 4 Mio. (rund CHF 7‘500.-) zur Verfügung. Die mangelnden Ressourcen zeigen sich in der sehr lückenhaften gesundheitsdienstlichen Abdeckung des Landes. So existiert auf der tertiären Ebene der öffentlichen Gesundheitsstruktur in Bobo Dioulasso und in Ouagadougou je eine Universitätsklinik mit spezialisierten Abteilungen für psychische Gesundheit, wo 8 PsychiaterInnen zur Verfügung stehen. Auf der zweiten Ebene verfügen lediglich 9 von 13 Regionen über spezialisierte Dienste. Diese Dienste werden von insgesamt 17 PsychiatriepflegerInnen abgedeckt und beschränken sich auf die Regionalspitäler (Centre hospitalier régional, CHR), die wiederum als Referenzinfrastruktur für die Gesundheitsposten (Centre de santé et de promotion sociale, CSPS) und die Gesundheitszentren (Centre médical avec antenne chirurgicale, CMA und Centres médicaux, CM) auf der ersten Ebene (Distriktsebene) dienen.
Die Koordination aller nationalen Aktivitäten im Bereich Psychische Gesundheit läuft an der Stelle des Nationalen Programms für psychische Gesundheit zusammen, das unter die Verantwortung der Abteilung Nichtübertragbare Krankheiten der Direktion für Krankheitsbekämpfung fällt. Dieses Programm wurde 2002 initiiert und führte 2012/2013 zur Formulierung des Nationalen Strategieplans. Dieser ist der erste seiner Art und wird unter anderem durch die von CBM unterstützten Aktivitäten umgesetzt. Eine kohärente Strategie ist nötig, weil Schätzungen zufolge in der Region (genaue Zahlen zu Burkina Faso fehlen) zwischen 76% und 85% der Menschen mit schweren psychischen Krankheiten und Behinderungen keinen Zugang zu medizinischen Dienstleistungen haben (Douma Eaton 2014). In Burkina Faso existieren keine eigenständigen gesetzlichen Bestimmungen zu psychischer Gesundheit. Diese sind in allgemeinen gesundheitspolitischen Reglementierungen festgehalten, wie zum Beispiel in der Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, die Burkina Faso im Mai 2007 unterschrieben und im Juli 2009 ratifiziert hat. Es existieren keine im Alltag der Gesundheitsdienste anwendbare Prozesse und Handbücher zum Umgang mit PatientInnen mit psychischen Krankheiten und/oder Behinderungen auf Ebene CSPS, obwohl eigentlich Dienstanweisungen zum Überweisungsverfahren zwischen den verschiedenen Ebenen vorhanden wären. Die fehlenden Prozesse, das fehlendes Fachwissen und der allgemeine Personalmangel führen zur unbefriedigenden Situation, dass psychische Störungen und Behinderungen entweder nicht erkannt oder fehldiagnostiziert werden. Mit der Folge, dass die Überweisungen nicht funktionieren, obwohl auf übergeordneter Ebene eine Behandlung möglich wäre. Es entsteht also eine Lücke zwischen dem/der PatientIn und den fachspezifischen medizinischen Diensten.
Um solche Lücken zu schliessen, entwickelte die WHO 2008 den mhGAP-Leitfaden. Dieser fokussiert mit praktischen, dem lokalen Kontext anzupassenden Massnahmen auf das Schliessen der Lücke zwischen dem Eintrittspunkt in den Gesundheitsdienst und der Weiterverweisung auf spezialisierte Dienste. Den nicht-spezialisierten Personen auf der ersten und zweiten Ebene der Gesundheitsdienste soll der Leitfaden ermöglichen, psychische Krankheitsbilder zu erkennen und einzuordnen, um anschliessend eine adäquate Behandlung und/oder eine Weiterverweisung vorzunehmen. Diese Empfehlungen und vorgeschlagenen Massnahmen des mhGAP fussen auf einer systematischen Analyse verschiedener Gesundheitsdienste im entwicklungspolitischen Kontext und mehrerer Konsultationsrunden von staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren.
Aufgrund der langjährigen Erfahrung in der Umsetzung und Implementierung der mhGAP-Empfehlungen im englischsprachigen Westafrika liegt eine Zusammenarbeit zwischen CBM und der WHO auch in französischsprachigen Ländern der Region auf der Hand. Unter anderem weil dort das Thema psychische Gesundheit sowohl von den nationalen als auch den internationalen Entscheidungsträgern mehrheitlich ignoriert, beziehungsweise nicht gesondert betrachtet wird. Es ist deshalb auch nicht weiter erstaunlich, dass der mhGAP-Leitfaden zwar auf Englisch und Spanisch verfügbar war, jedoch nicht auf Französisch. Darüber hinaus ist die Anpassung an den jeweiligen lokalen Kontext für eine Reihe englischsprachiger westafrikanischer Länder (Nigeria, Sierra Leone und Ghana) bereits erfolgt und die weitere Umsetzung wurde von CBM fachlich begleitet und finanziell unterstützt. Dies gilt aber nicht für französischsprachige Länder derselben Region. Da die Praxistauglichkeit des Leitfadens aber stark von der Kontextualisierung abhängt, ist diese für eine erfolgreiche Umsetzung der Empfehlungen eine zwingende Voraussetzung. Insbesondere unter dem Blickwinkel des starken Miteinbezugs der verantwortlichen staatlichen Stellen bei der Planung und Implementierung, da die Anpassung von Prozessen innerhalb der staatlichen Gesundheitsdienste meist ein wichtiger Bestandteil von mhGAP ist.
Regional Workshop for Adaptation of WHO Mental Health Guidelines
CBM has a long-standing partnership with the WHO, and now has good experience in rolling out services using their evidence-based mhGAP guidelines. The first step to making services appropriate for different cultures is to adapt these guidelines to local contexts so that the care offered meets local needs. This has already been done in several English-speaking countries where we work - Nigeria, Sierra Leone, and Ghana for example.
Between the 11 and 13 June, in collaboration with the Government of Burkina Faso and WHO, CBM invited leaders in mental health from the Francophone countries in West Africa to meet in Ouagadougou to review the mhGAP Intervention Guidelines and adapt them to be appropriate for their countries.
CBM has already translated all the mhGAP Training Materials, and we also included relevant adaptation of these. The meeting included at least two senior mental health leaders from Benin, Côte d’Ivoire, Togo, Niger and Burkina Faso, as well as service users and other stakeholders in Burkina Faso.
Source: West African Mental Health ready for transformation!
Darüber hinaus sind kulturelle Aspekte mit zu berücksichtigen, vor allem wenn es um das Spannungsfeld von traditioneller Heilung und Schulmedizin geht und Lösungen nicht nur top-down gefunden und umgesetzt werden können. Letztlich spielen traditionelle Heilungsansätze in Burkina Faso (wie in allen anderen Ländern) im ohnehin sehr sensiblen Bereich der psychischen Gesundheit eine sehr wichtige Rolle. Vor diesem Hintergrund trafen sich 2013 rund 20 Fachpersonen aus fünf verschiedenen französischsprachigen westafrikanischen Ländern in Ouagadougou zum ersten Treffen seiner Art. Während dieser dreitägigen Grundlagenarbeit trugen sie evidenzbasierte Daten und Hintergrundinformationen zur Erreichbarkeit und Qualität von Gesundheitsdiensten für Menschen mit psychischen Störungen und Behinderungen zusammen und bereiteten diese auf. Die Arbeit diente anschliessend als Ausgangpunkt für eine einheitliche Umsetzung und Kontextualisierung der mhGAP-Leitlinien in der besagten Region und insbesondere in Burkina Faso. Ausserdem werden seither die Erfahrungen innerhalb des Netzwerkes ausgetauscht und so ein gegenseitiges Lernen ermöglicht.
Im Rahmen des von CBM unterstützen Fünf-Jahres-Programms Santé Mental Pour Tous ist die Umsetzung und Implementierung der mhGAP-Empfehlungen ein eigenständiges Resultat und strebt einerseits die Weiterbildung des nicht-spezialisierten Gesundheitspersonals an; andererseits werden prozessuale Anpassungen innerhalb der Gesundheitsdienste in zwei Modellregionen eingeführt. In diesem Rahmen wird auch mit den sogenannten Gesundheitshelfenden zusammengearbeitet, also mit nichtstaatlichem Gesundheitspersonal, die Menschen mit Behinderungen in ihrem Familienkontext begleiten und Vorsorgeuntersuchungen ermöglichen. Diese gemeindenahe Rehabilitation (Community Based Rehabilitation - CBR) ist integraler Bestandteil der Bemühungen, wenn es um die Verbesserung des Zugangs zu Gesundheitsdiensten und deren Qualität geht.
Um dem Personalmangel entgegenzuwirken, ist es nicht nur sinnvoll das Gesundheitspersonal oder Gesundheitshelfende, sondern auch die Eltern als „nicht-spezialisierte Betreuungspersonen“ in die Aktivitäten miteinzubeziehen. Denn nur eine koordinierte Zusammenarbeit aller Akteure kann dem Anspruch einer ganzheitlichen Förderung von Menschen, und insbesondere von Kindern, mit psychischen Störungen und Behinderungen gerecht werden. Diese Erkenntnis dürfte für niemanden, aus dem Bereich der psychischen Gesundheit eine Neuigkeit sein - muss aber trotzdem hervorgehoben werden. Das Fehlen eines international gebräuchlichen, evidenzbasierten Lernprogramms für Eltern von Kindern mit psychischen Störungen und Behinderungen zeugt von den Versäumnissen in diesem Bereich. Dieses Fehlen hat die WHO nun zum Anlass genommen, um im Rahmen des mhGAP das Parent Skills Training-Toolkit zu etablieren und in den Leitfaden zu integrieren. Dazu hat ihr Departement für Psychische Gesundheit und Suchtmittelmissbrauch, zusammen mit verschiedenen Experten aus dem Feld, eine Review aller verfügbaren Lernprogramme für Eltern von Kindern mit psychischen Störungen und Behinderungen durchgeführt. Diese Grundlagenarbeit wurde anfangs September 2014 in Genf abgeschlossen und wird nun die Basis zur Entwicklung eines einheitlichen Lernprogramms für Eltern von Kindern mit psychischen Störungen und Behinderungen bilden. Ziel ist es, dass diese ihre Kinder in der Entwicklung möglichst optimal unterstützen und begleiten. Das Toolkit fokussiert auf Eltern mit Kindern im Alter zwischen 2 und 9 Jahren und wird von CBM im Rahmen der Unterstützung von CEFISE, einer Schule für Kinder mit Hörbehinderungen in Ouagadougou, zum Einsatz kommen. CEFISE ist somit einer der Pilotpartner, die bei der ersten Testphase der Einführung des Lernprogramms teilnimmt.
mhGAP bietet eine effiziente und mittlerweile bewährte Methode, um den Zugang und die Qualität von Gesundheitsdiensten in Entwicklungsländern für Menschen mit psychischen Störungen und Behinderungen zu verbessern. Dies ist deshalb wichtig, weil das Thema psychische Gesundheit im entwicklungspolitischen Kontext an Wichtigkeit gewinnen wird. Zusammen mit anderen Massnahmen wie Kapazitätsaufbau, anwaltschaflticher Arbeit und direkter Unterstützung wird mhGAP zu messbaren Erfolgen führen. In diesem Zusammenhang wäre es erfreulich, wenn sich internationale NGOs vermehrt mit mhGAP und der Situation von Menschen mit psychischen Störungen und Behinderungen auseinandersetzen würden.
INSD (2012): Enquête Démographique et de Santé et à Indicateurs Multiples (EDSBF-MICS IV) 2010. Institut National de la Statistique et de la Démographie (INSD) Ministère de l’Économie et des Finances Ouagadougou, Burkina Faso und ICF International, Calverton, Maryland, USA. www.unicef.org/bfa/french/bf_eds_2010.pdf
Douma, Djibo und Eaton, Julian (2014): A Survey of the Mental Health Care Systems in five Francophone countries in West Africa: Bénin, Burkina Faso, Côte d’Ivoire, Niger and Togo. International Psychiatry 11(3), 69-72. http://www.rcpsych.ac.uk/pdf/PUB_IPv11n3.pdf
CBM und Community Mental Health: http://www.cbm.org/i/community-mental-health-246594.php