Die Digitalisierung verlangt nach neuen Wegen in der internationalen Zusammenarbeit

Digitalisierung und Gesundheit: Verantwortungsbewusst, respektvoll und inklusiv

By Martin Leschhorn Strebel

Als sich das Netzwerk Medicus Mundi Schweiz (MMS) vor über einem Jahr dazu entschlossen hat, die Problematik der Digitalisierung in der internationalen Gesundheitszusammenarbeit intensiver zu bearbeiten, gründete dies auf verschiedenen Befunden. Die Digitalisierung ist ein Fakt, der nicht nur die Arbeit im Gesundheitsbereich in den vergangenen Jahren massiv verändert hat. Sie prägt den ganzen Sektor der internationalen Zusammenarbeit, ohne dass sie wirklich kritisch hinterfragt wird. Dabei verändert und vertieft sie Machtstrukturen, soziale und wirtschaftliche Ungleichheit weltweit.

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Digitalisierung und Gesundheit: Verantwortungsbewusst, respektvoll und inklusiv
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MMS geht grundsätzlich davon aus, dass digitale Technologien Gesundheitssysteme stärken könnten: Sie erlauben eine Ausdehnung der Basisgesundheitsversorgung auf schlecht versorgte Bevölkerungen; sie etablieren interagierende Beziehungen zwischen lokalen und gesellschaftlichen Gemeinschaften und den Gesundheitssystemen; sie fördern die Wirksamkeit und Effizienz der Gesundheitsversorgung; sie stärken Transparenz und Rechenschaftssysteme im Gesundheitssystem; sie verbessern die Voraussehbarkeit und die Eingrenzung von Krankheitsausbrüchen. Nicht zuletzt können digitale Technologien auch andere Systeme wie etwa das Bildungssystem stärken, was sich wiederum positiv auf die Gesundheit der Bevölkerung auswirkt.


Potentiale für das Gesundheitssystem

Es ist ganz wichtig, sich diese Potentiale der Digitalisierung immer wieder vor Augen zu führen. Die verschiedenen Artikel in diesem MMS Bulletin tun dies aus unterschiedlicher Perspektive und immer wieder erfrischend. Allen aber ist gemeinsam, dass sie die mit der Digitalisierung einhergehenden Problemfelder immer wieder benennen. Aus gesundheitlicher Sicht lassen sich diese mit Fragmentierung und Ineffizienz, Vertrauensverlust und Menschenrechtsdimensionen beschlagworten.


Viele Stolperfallen

Was wir immer wieder sehen, ist, dass Projekte, welche digitale Technologien in der internationalen Gesundheitszusammenarbeit einsetzen, zu wenig in die Gesundheitssysteme integriert sind (Fragmentierung). Es werden nicht repräsentative und voreingenommene Daten verwendet, was Ineffizienz und vor allem auch Vertrauensverlust mit sich bringt. Digitale Daten werden im globalen Süden erhoben und dann im Norden genutzt, was auch als Datenkolonialismus bezeichnet wird. Oft wird unverantwortlich mit den digitalen Daten umgegangen, ohne den Datenschutz und die Persönlichkeitsrechte der Bevölkerung zu beachten. Auch damit wird das in der öffentlichen Gesundheit zentrale Gut - das Vertrauen - aufs Spiel gesetzt. Digitale Gesundheitsdaten haben das Potential von privaten Konzernen und staatlichen Behörden missbraucht zu werden, was nicht nur wiederum das Vertrauen untergräbt, sondern vor allem auch menschenrechtliche Probleme mit sich bringt.

Photo by National Cancer Institute on Unsplash
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All diese Themen werden in den Beiträgen dieses Bulletins erörtert. Es braucht einen Rahmen für den Einsatz von digitalen Technologien, wie wir ihn 2020 zusammen mit unseren Mitgliedsorganisationen entworfen haben (vgl. Beitrag Gertjan van Stam). Es braucht die Inklusion von Direktbetroffenen – und dieser Einbezug muss ernsthaft sein und nicht, wie es Brian Li Wan Hong, Robert D. Smith, Ines Siepmann, Alexa Hasse und Sahil Tandon darlegen, als Feigenblatt gegen aussen dienen (vgl. Beitrag Brian Li Han Wong et al.) Und es braucht vor allem auch ein internationales Regelwerk (vgl. Bericht über die Debatte am Symposium), das den ethischen Umgang mit Gesundheitsdaten regelt und damit sicherstellt, dass die Potentiale der Digitalisierung wie eingangs beschrieben, auch genutzt werden können, um Gesundheit für alle zu erreichen.

MMS wird am Thema daran bleiben – und es unter Einbezug der Mitglieder zusammen mit seinem internationalen Netzwerk Medicus Mundi International weiter bearbeiten. Als Teil der internationalen Koalition Transform Health Association werden wir uns auch in diesem Rahmen für ein internationales Regelwerk zu Gesundheitsdaten engagieren. Danken möchten wir an dieser Stelle, insbesondere auch der Fondation Botnar für die finanzielle Unterstützung unserer Aktivitäten im Themenbereich Digitalisierung und Gesundheit.

"Was wir immer wieder sehen, ist, dass Projekte, welche digitale Technologien in der internationalen Gesundheitszusammenarbeit einsetzen, zu wenig in die Gesundheitssysteme integriert sind."

Danken möchten wir an dieser Stelle, insbesondere auch der Fondation Botnar für die finanzielle Unterstützung unserer Aktivitäten im Themenbereich Digitalisierung und Gesundheit.

Martin Leschhorn Strebel
Martin Leschhorn Strebel ist Historiker und Geschäftsführer des Netzwerks Medicus Mundi Schweiz.