Was der Beitrag und die Rolle von internationalen Nichtregierungsorganisationen sein kann.

Machtlos gegen den Klimawandel?

By Hafid Derbal

Nach vielen Jahren der Warnungen und unzähligen Studien, sind der Klimawandel und seine Folgen für unsere Gesellschaften heute zwar nicht mehr zu leugnen, die Kehrseite ist jedoch eine allgemeine Lethargie und Klimamüdigkeit. Lösungen auf verschiedenen Ebenen werden jedoch dringend gebraucht. Was kann in dieser Klimakrise unsere Rolle als internationale Nichtregierungsorganisation (INGO) sein? Der Versuch einer Antwort.

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Machtlos gegen den Klimawandel?
Training zu positive parenting in Simbabwe. Foto: © terre des hommes schweiz/Hafid Derbal

Unsere Verantwortung für die Umwelt hängt eng mit der Verantwortung und Solidarität für Mitmenschen zusammen. Die Klimafrage kann nicht losgelöst von sozialer, intergenerationaler oder Gendergerechtigkeit gedacht werden. Der Begriff Klimagerechtigkeit schliesst alle diese Fragen ein und wird, davon bin ich überzeugt, dieses Jahrhundert prägen. Doch wenn ich heute Nachrichten, Feeds oder Studientitel zur Klimakrise lese, mischen sich bei mir Frust, schlechtes Gewissen, Trauer, Müdigkeit oder, noch schlimmer, Gleichgültigkeit. Doch ich empfinde auch immer noch Empörung. Empörung darüber, dass die Menschen, die am meisten unter den Folgen des Klimawandels zu leiden haben, ohnehin die vulnerabelsten sind.

Diese Empörung, wie sie Stéphane Hessel beschreibt, ist für mich wie für viele andere Mitstreiter*innen der Motor, mich und uns weiterhin Fragen über Gerechtigkeit und Solidarität zu stellen. Wie jedoch können wir diesen Motor nutzen und was kann unser Beitrag als internationale Organisationen heute sein?

Unsere Verantwortung für die Umwelt hängt eng mit der Verantwortung und Solidarität für Mitmenschen zusammen. Die Klimafrage kann nicht losgelöst von sozialer, intergenerationaler oder Gendergerechtigkeit gedacht werden.

Arbeit auf mehreren Ebenen bleibt wichtig

Grundsätzlich kann man in der Entwicklungszusammenarbeit auf drei Ebenen aktiv sein. Man kann erstens in den Regionen aktiv sein, wo die Folgen des Klimawandels zu spüren sind, und Programme entwerfen, die die Resilienz von Strukturen, Systemen und Personen stärken, um Folgen der Klimakrise zu bewältigen oder zumindest abzufedern.

Man kann zweitens Sensibilisierungs- und Advocacyarbeit betreiben, um staatliche und nichtstaatliche Akteure dazu zu verpflichten, verbindliche Ziele und Aktionen festzulegen, um den Klimawandel zu verlangsamen.

Und man kann drittens bei sich selbst als Akteur:in Strukturen und Prozesse so anpassen, dass ein Beitrag zum Klimaschutz geleistet wird. All diese Ebenen sind wichtig. Doch für INGOs sind Engagements in den beiden ersten Ebenen, ohne nennenswertes Engagement bei sich, nicht mehr zu rechtfertigen. Zumal, und das ist ein Thema für sich, gerade die Arbeit in Projektländern nicht darüber hinwegtäuschen sollte, dass die Ursachen für den Klimawandel vor allem im globalen Norden mit seinen Emissionen angegangen werden sollte. Und wo können wir besser ansetzen als bei uns selbst?

Grundsätzlich kann man in der Entwicklungszusammenarbeit auf drei Ebenen aktiv sein. (...) Doch für INGOs sind Engagements in den beiden ersten Ebenen, ohne nennenswertes Engagement bei sich, nicht mehr zu rechtfertigen.
Foto: © terre des hommes schweiz
Foto: © terre des hommes schweiz

Der Climate Action Accelerator (CAA)

Die Diskussion um den ökologischen Fussabdruck von terre des hommes schweiz (tdhs) hatte langen Vorlauf. Unter anderem auch deswegen, weil unsere Hauptzielgruppe Jugendliche sind und wir in der Schweiz, Lateinamerika und im südlichen Afrika Jugendarbeit in den Bereichen Gesundheit, nachhaltige Lebensgrundlagen und Friedenskultur fördern. In verschiedenen Projekten kam das Thema des Klimawandels auf.

Die Fridays for Future Bewegung tat ihr Übriges, um uns als Organisation zu bewegen, konkrete Massnahmen zu entwickeln und umzusetzen. So haben wir uns im Jahr 2020 der Initiative Climate Action Accelerator (CAA) angeschlossen; einer Kampagne, die unsere Gesamtemissionen aus dem Jahr 2019 messen sollte, um dann gemeinsam eine Climate-Roadmap und Massnahmen zu entwickeln, um unsere Emissionen bis 2030 zu reduzieren (tdhs). Ein solcher Entscheid wird Auswirkungen auf zentrale Arbeitsprozesse haben und mittelfristig auch unsere Rolle als Organisation und als Mitarbeiter:innen hier in Basel und in den Projektländern verändern.

So haben wir uns im Jahr 2020 der Initiative Climate Action Accelerator (CAA) angeschlossen; einer Kampagne, die unsere Gesamtemissionen aus dem Jahr 2019 messen sollte, um dann gemeinsam eine Climate-Roadmap und Massnahmen zu entwickeln, um unsere Emissionen bis 2030 zu reduzieren (tdhs).

Veränderung als Chance

In meiner Organisation bin ich einer von vielen Mitarbeiter:innen. Um die Frage nach der neuen Rolle von tdhs anzugehen, muss ich erst beantworten, was meine neue Rolle sein kann. Meine bisherige Position im Programmbereich beinhaltet Projektreisen im südlichen Afrika sowie die Teamführung Netzwerkpflege auf Distanz. Das alles bedingt häufige Flugreisen und somit Emissionen. Die Climate-Roadmap wird diese Struktur und meine Arbeit künftig verändern. Hierin liegt die Chance jeder Krise. Die Notwendigkeit von Veränderung und Verbesserung. Die Entwicklungszusammenarbeit (EZA) hat sich in den letzten Jahrzehnten stetig weiterentwickelt, und so müssen wir als Organisation und auch als Mitarbeiter:in unsere Arbeit in 10 oder 15 Jahren sehen. Ziel unserer Arbeit war und ist es, die Abhängigkeit der Projektländer vom globalen Norden zu reduzieren und die Autonomie zu fördern. Somit ist diese Krise eine Chance, Prozesse und Strukturen dahingehend zu verändern, auch diesen Zielen im Hinblick auf Dekolonisierung unserer Arbeit näher zu kommen.

Ziel unserer Arbeit war und ist es, die Abhängigkeit der Projektländer vom globalen Norden zu reduzieren und die Autonomie zu fördern. Somit ist diese Krise eine Chance, Prozesse und Strukturen dahingehend zu verändern, auch diesen Zielen im Hinblick auf Dekolonisierung unserer Arbeit näher zu kommen.

Antworten im Dialog finden

Ich kann die eingangs gestellten Fragen vor allem aus meiner Position heraus beantworten. Wie wir sie als Organisation beantworten werden, hängt jedoch nicht allein von mir ab. Ich habe Visionen, Überzeugungen und eine gewisse Erfahrung nach über einem Jahrzehnt programmatischer Arbeit. Doch das haben andere auch. Insofern wird die Frage nach unserer Rolle in der Zukunft nicht von mir alleine beantwortet, sondern im Dialog, wahrscheinlich auch teils im Kompromiss mit meinen Kolleg:innen in Basel und in den Projektländern. Die Climate-Roadmap gibt uns dafür einen wichtigen Rahmen, und es wird in der Umsetzung sicher Herausforderungen geben. Und doch bin ich überzeugt von der Richtigkeit unserer Entwicklung als INGO. Dafür werbe ich, innerhalb meiner Organisation und in unseren Netzwerken.

Hafid Derbal
Hafid Derbal ist Themenverantwortlicher für Sexuelle und Reproduktive Gesundheit und Rechte (SRHR) und Programmkoordinator für Simbabwe und Südafrika Afrika bei terre des hommes schweiz (tdhs) in Basel. Er kam 2015 zum Team von terre des hommes schweiz, nachdem er zuvor
die Jugendprogramme der Europäischen Union in der Schweiz koordiniert hatte. Er hat einen Abschluss in Global Studies mit Spezialisierung
in internationalen Entwicklungsstudien. Email