By Martin Leschhorn Strebel
Der Schweizer Arzt Andreas Steiner hat zwischen 1964 bis 1995 in der Gesundheitszusammenarbeit gearbeitet. In seinem kürzlich erschienen Buch „Als Arzt in Urwald und Gebirge“ legt er einen lesenswerten Rückblick auf diese Tätigkeit zurück.
Steiner stand Mitte der 60er Jahre in Jemen für das Internationale Komitees des Roten Kreuzes während des Bürgerkriegs zwischen Royalisten und Republikanern im Einsatz. Nach einer Zeit in der Schweiz übernahm er als Chefarzt die medizinischen Leitung des Albert-Schweizer-Spitals in Lambarene in Gabun. Nach einem Engagement in Peru kehrte Steiner 1984 nach Afrika ins damalige Zaire zurück, wo er ein Spital in Manono aufbaute und sich in der Region für eine gute Basisgesundheitsversorgung engagierte.
Das Buch liest sich unter verschiedenen Aspekten mit Gewinn. Da ist zum einen die sehr persönliche Schreibweise, welche die lebensgeschichtlich Motivation des Autors immer wieder aufblitzen lassen. Diese ist geprägt von einer hohen Empathie seinen Mitmenschen gegenüber – gerade auch in seinen Einsatzgebieten. Dabei erweist er sich als guter Beobachter und auch kritischer Geist. Steiner, der nach seinem Afrikaeinsatz noch Philosophie und neuere deutsche Literatur studiert hat, schreibt ausgezeichnet und spannend.
Steiner ist aber auch Zeitzeuge der Entwicklungszusammenarbeit. Er war zwischen den 70er- und 90-er Jahren des letzten Jahrhunderts tätig, als sich die internationalen Zusammenarbeit modernisiert hat. Sehr schön zeigt sich dies etwa in seinen Schilderungen aus Lambarene: Das koloniale Denken ist in den Strukturen noch präsent, indem etwa das Fachpersonal ganz von weissen Europäern geprägt ist. Steiner, der dies zu Beginn noch als gegeben annimmt, durchbricht dies und macht es mehr und mehr zur Aufgabe lokal ausgebildetes Personal einzusetzen und in deren Bildung zu investieren.
Andreas Steiner. Als Arzt in Urwald und Gebirge. Lebensrückblicke zwischen Entwicklungshilfe und Migration. Münster Verlag, Basel 2017.
Der Autor streift auch die Alma-Ata-Deklaration und kritisiert diese als „Ideologie“. Für ihn ist zentral, dass ein guter Gesundheitsdienst auf ein Referenzkrankenhaus fussen muss. „Wir können die Leute nicht instruieren, wie sie ihre Hände waschen und ihre Toiletten konstruieren sollen und dann erklären, die Behandlung einer Krankheit oder einer Verletzung ginge uns nichts an,“ schreibt Steiner. Hier verkürzt der Autor das Basisgesundheitskonzept all zu einseitig auf den Präventionsaspekt. In den weiteren Ausführungen wird aber deutlich, dass sich Steiner in seiner Arbeit gerade in den entlegenen Gegenden des Distriktes, in welchem er tätig gewesen ist, durchaus mit dem Ansatz einer umfassenden Basisgesundheitsversorgung gearbeitet hat. Richtig ist sicherlich, dass die medizinische Qualität auch in der Basisgesundheitsversorgung im Vordergrund stehen muss. Und es ist richtig und nachvollziehbar, dass Steiner hier den Finger darauf legt.
Ein wenig kurz greifen Steiners bilanzierende Ausführungen zum Sinn der Entwicklungszusammenarbeit. Er kritisiert, dass die Zusammenarbeit durch Besserwisserei der weissen EntwicklungshelferInnen geprägt sei statt durch eine partnerschaftliche Zusammenarbeit. Dies mag teilweise noch immer berechtigt sein, doch das Gros der internationalen Zusammenarbeit funktioniert bereits einige Zeit partnerschaftlich. Grenzen der Entwicklungszusammenarbeit müssen heute allerdings vielmehr auf der strukturellen Ebene angeschaut werden. Unser globales Wirtschaftssystem repliziert Ungleichheit permanent und verschärft diese in gewissen Regionen auch noch. Gerade dies ist es, das viele Erfolge gefährdet, die gerade auch in der globalen Gesundheit in den vergangenen Jahren dank des Einsatzes von ÄrztInnen wie Andreas Steiner erreicht wurden.