Angesichts tiefer Gräben über soziale Normen zeigt sich die WHA besorgt, ob Epidemien wie HIV bis 2030 beendet werden können
Health Policy Watch Vielleicht noch mehr als der Krieg in der Ukraine war die außergewöhnlich hohe Zahl der Stimmenthaltungen bei der Abstimmung über eine neue HIV-, Hepatitis- und STI-Strategie für die Delegierten auf beiden Seiten der Debatte eine bittere Pille, die es zu schlucken galt. Sie verdeutlichte, wie tief die Gräben über soziale Normen sind, die die Mitgliedsstaaten noch immer spalten. Es kam zu hitzigen Debatten über sexuelle Rechte, über eine umfassende Sexualerziehung und über die Terminologie. Es war vor allem Saudi-Arabien, das sich an die Spitze der Bestrebungen stellte, Hinweise auf Männer, die Sex mit Männern haben, aus der Strategie zur HIV-Behandlung zu streichen. Im Gegensatz dazu standen Europa, Nordamerika, weite Teile Lateinamerikas und Asien, wo sich in den letzten Jahrzehnten eine neue Einstellung zur Geschlechtsidentität und zur LGBTI-Terminologie durchgesetzt hat. Der Widerstand reichte zwar nicht aus, um die Verabschiedung der Strategien zu verhindern, aber es gab einen klaren Mangel an Konsens. Die Mitgliedstaaten auf beiden Seiten der Trennlinie äusserten sich besorgt darüber, dass es der WHA nicht gelungen ist, eine breite Zustimmung über eine solch zentrale Gesundheitsstrategie zu finden, die entscheidend ist, um das globale Ziel, diese Epidemien bis 2030 zu beenden.