Medizinische Forschung für alle

Patentpool: Durchbruch oder frühzeitiges Scheitern?

Von Martin Leschhorn Strebel

UNITAID ist daran, einen Patentpool für HIV/Aids-Medikamente zu etablieren. Noch ist allerdings unklar, ob die pharmazeutische Industrie mitziehen wird. Einiges ist in Bewegung geraten, ob die Menschen in den Entwicklungsländern aber davon profitieren werden ist noch offen.

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Der Vorstand von UNITAID beschloss Ende vergangenen Jahres, auf Mitte 2010 einen Patentpool für AIDS Medikamente einzurichten. Der auf freiwilliger Basis beruhende Mechanismus lädt Pharmafirmen, Universitäten und ForscherInnen ein, ihre Patente auf antiretrovirale Medikamente UNITAID zur Verfügung zu stellen. Generikahersteller bezahlen zur Weiternutzung der bislang geschützten Medikamente eine Lizenzgebühr. Die Patentrechte bleiben bei den PatentinhaberInnen. Zu diesem Zweck hat UNITAID im Juli die nach Schweizer Recht geführte Stiftung „Medicines Patent Pool Foundation (MPPF) gegründet, welche die Geschäfte mit den Patenten führen wird.

UNITAID ist eine vor drei Jahren gegründete und von 29 Staaten getragene Organisation, die Medikamente gegen HIV/Aids, Tuberkulose und Malaria für Entwicklungsländer erwirbt. Mit der Einrichtung des Patenpools erhofft sie sich, die Innovation zu fördern und die für die Medikamente notwendige Behandlung in den Entwicklungsländern zugänglicher zu machen. Wollten Generikaproduzenten bisher ein antiretrovirales Medikament entwickeln, mussten sie mit mindestens drei PatentinhaberInnen verhandeln. Mit dem Patentpool wird es nur noch einen Verhandlungspartner geben – UNITAID, welche den Pool führen wird.

Innovative Medikamente für die Armen

Damit weckte UNITAID Hoffnung, für die rund 10 Millionen mit HIV-infizierten Menschen in den Entwicklungsländern, von welchen bislang nur 3 Millionen von den lebensrettenden antiretroviralen Behandlungen profitieren konnten. Neben der erhofften Steigerung der Zugänglichkeit durch den Patentpool sollten zu einem späteren Zeitpunkt mit dem gleichen Mechanismus auch neuere Medikamente zugänglich gemacht werden. Dies ist für die PatientInnen wichtig, da sie auf die verabreichten Medikamentencoctails Resistenzen bilden können.

Die Patente sichern den Pharmaunternehmen über Jahre eine Monopolstellung in der Vermarktung eines geschützten Medikamentes. Die dadurch entstehenden hohen Preise, welche den Zugang für arme Menschen verunmöglichen, rechtfertigt die Industrie mit den Forschungs- und Entwicklungskosten. Ohne diese Monopolstellung verlören sie das Interesse, in Innovationen zu investieren. Dieses System die Forschung und Entwicklung zu finanzieren, mag in den reichen Ländern, wo es KäuferInnen von Gesundheitsleistungen gibt, die das finanzieren können, noch einigermassen funktionieren. In den Schwellen- und Entwicklungsländern bewirkt dieses System aber, dass die vorhandene Nachfrage nach Medikamenten nicht befriedigt werden kann, da die geschützten Medikamente überteuert sind.

Zögerliche Industrie

Kommt nun mit dem Patentpool Bewegung in eine seit einigen Jahren erstarrte Debatte zwischen den Pharmainteressen und denjenigen Organisationen, die in dem Patentsystem ein schwerwiegendes Hindernis für die Gesundheitsversorgung in den Entwicklungsländern erkannten?

Bewegung scheint der Patentpool in die PR-Maschinerie der Industrie zu bringen. So kündete ViiV Healthcare, ein Joint Venture von GlaxoSmithKline (GSK) und Pfitzer, an, Generikaherstellern die Rechte an seinen HIV-Medikamenten honorarfrei zu überlassen. Das auf den ersten Blick attraktive Angebot ist aber in einigen Punkten noch sehr unklar und lässt es etwa nicht zu, dass verschiedene Wirkstoffe untereinander kombiniert werden, damit die PatientInnen nur ein Präparat einnehmen müssen. Dies ist ein wichtiger Nachteil gegenüber dem Ansatz des Patentpools.

GSK selbst hat bereits im vergangenen Januar mit einem vergleichbaren Projekt auf sich aufmerksam gemacht. Es kündigte an, 13'500 chemische Komponenten aus seiner Forschung zu veröffentlichen, die das Potential haben, gegen Malaria eingesetzt zu werden. GSK stellt die Komponenten der freien Forschung nicht nur zur Verfügung, sondern richtet gleich noch einen acht Millionen Dollar schweren Fond für die Forschung ein.

Open Source Kultur

Dafür, dass die Industrie eher Mühe mit dem Ansatz des Patentpools hat, steht die Aussage von Dominique Limet, dem CEO von ViiV Healthcare in der Financial Times vom vergangenen Juli: „The pool’s key focus has been political in getting access to IP without explaining how it will work. It’s not the issue. It’s about the will and money to invest in new drugs, and ensuring there is enough demand and infrastructure to ensure access. The €4.7m they will spend could save thousands of lives [by buying drugs.]”

Deutlich wird die Befürchtung der Industrie, durch den Patentpool die Kontrolle über die Patentrechte und die Nutzung ihrer Forschung zu verlieren. Wie auch immer – die Industrie sitzt am längeren Hebel und es muss sich zeigen, ob dem Patentpool der Durchbruch gelingt.

Denkbar ist aber auch, dass GSK und ViiV Healthcare mit ihrem Aktivismus auch auf einen anderen Trend reagieren, der aus der IT-Industrie kommend einen langsamen Kulturwandel bewirkt: Die Open-Source Kultur unterspült nämlich das Patentsystem. Die Entwicklung und Verbesserung von Software durch eine offene Fachgemeinschaft, die Wissen schafft, austauscht und allen kostenlos zur Verfügung stellt, stellt das Argument der Pharmaindustrie in Frage, dass die Patente Garanten von Innovation seien. Ganz offensichtlich gibt es auch andere Modelle, die funktionieren. Zurzeit wächst eine Generation von Menschen heran, für welche diese Kultur selbstverständlich sein wird.

*Martin Leschhorn Strebel ist Mitglied der Geschäftsleitung des Netzwerkes Medicus Mundi Schweiz. Kontakt: mleschhorn@medicusmundi.ch. Der Text beruht auf einem Artikel, den der Autor für die Zeitschrift Soziale Medizin im vergangenen Februar verfasst hat.

Quellen