Von Alexander Bischoff
Die Globalisierung bringt es mit sich: Grenzen werden durchlässig, Mobilität und Migration nehmen zu. Es ist unglaublich, wie enorm die Zuwanderung die Kontinente verändert. Vor allem die Länder des Nordens (oder des „Westens“ oder die Industrienationen) werden förmlich aufgebläht, wenn man die Weltkarte (siehe unten) ansieht, die ein Land entsprechend seiner Zahl von Zuwandern grösser darstellt. Die Schweiz scheint wie durch Osmose aufgedunsen.
Nun ist es interessant zu entdecken, dass die Karte über die “Nurse Density” recht ähnlich aussieht. Auch hier kommt das gleiche Prinzip zur Anwendung: je grösser die Dichte von Pflegefachpersonen in einem Land, desto grösser wird dieses dargestellt. Auch hier ist die Schweiz ein vergleichsweise grosses und dickes Land.
Seit Mireille Kingsma ihr Buch über Migration und Pflege geschrieben, ist der klingende Titel bekannt geworden: Nurses on the Move (Kingma, 2006). Da Pflegefachleute, nurses, infirmières und infirmiers – und wie sie alle heissen – in praktisch jedem Gesundheitswesen den grössten Teil von Gesundheitsberufen ausmachen (Nyoni, 2006, Rechel et al., 2006), lohnt sich ein Blick auf den Zusammenhang zwischen Pflege und Migration in der Schweiz. In der vorliegenden Ausgabe des Medicus Mundi Schweiz Bulletins werden wir mit ein paar Stimmungsbildern beschreiben, wie Migration und Globalisierung den Pflegeberuf prägen.
Die Beiträge wurden mit Ausnahme des ersten und letzten Kapitels („Umsetzung des WHO-Kodex – eine Bilanz“ und „Magazin“) im Rahmen der Vorlesungsreihe „Öffentliche Gesundheit“ am Institut für Pflegewissenschaft der Universität Basel für einen Workshop am Pflege-Kongress in Montreux 2015 erarbeitet.
Ein erster Teil von Kurzberichten schildert die Migrationsrealität im schweizerischen Pflegealltag. Wir stellen eine zunehmende Diversität fest, einerseits der PatientInnen und andererseits der Pflegenden. Altwerden in der Fremde: Der Beitrag von Blumenfeld Arens, Grossmann, Schmid & Weber illustriert, wie der demographische Wandel nicht nur ein Akutspital mit seinen vielen Migrantinnen und Migranten betrifft, sondern zunehmend auch die Pflegeheime.
Die zunehmende Diversität unter Pflegenden und deren ebenso zunehmenden Herausforderungen an Kommunikation und Interaktion wird von folgenden drei Beiträgen beleuchtet: Interkulturelle Zusammenarbeit in Pflegeteam (von Baumgartner, Friedel, Vogel & Wehrle); Männer mit Migrationshintergrund in der Pflege – eine doppelte Minderheit (Gaudenz, Senft & Zala) und „Wie wir ausländische Pflegende in der Schweiz willkommen heissen“ (Aepli & Luck).
Ein zweiter Teil beschreibt die Pflegerealität in anderen und weniger privilegierten Ländern. Wir sollten bei allem Jammern über den Pflegenotstand in der Schweiz nicht vergessen, dass der Pflegemangel andere Länder noch härter trifft. Beeri, Prokic & Wilmes vergleichen – aus eigener Erfahrung – die Gesundheitsversorgung in der Schweiz, in Serbien und in Peru. Gerwig & Valenta berichten über HIV und Palliative Care in Südafrika. Es ist zwar nicht das Thema dieses Beitrages, aber es soll hier erwähnt werden, dass Südafrika und weitere Länder in Sub-Sahara-Afrika besonders unter der Abwanderung von Krankenschwestern leiden (Munjanja et al., 2005). Man spricht dort geradezu von Nurse Poaching, dem Wildern von Pflegepersonal. Auf diese merkwürdige Diskrepanz müssen wir noch eingehen.
Der Bedarf an Pflegefachleuten nimmt rapide zu (während die Ausbildung eigener Fachkräften nicht Schritt hält). Gründe dafür sind: die Alterung der Bevölkerung, die chronischen Krankheiten, die Multimorbidität, die neuen technischen Behandlungsmöglichkeiten (die eine grosse Zahl von gut ausgebildetem Personal nötig machen), aber auch die Veränderungen in der Berufsausübung (drei Stichworte: Teilzeitarbeit, frühzeitige Pensionierung und Feminisierung). Die Gründe (vielleicht mit Ausnahme des letzten) gelten für die meisten anderen Ländern auch, aber reiche Länder wie die Schweiz haben die finanziellen Mittel, die arme Länder nicht haben, um Pflegepersonal zu entlohnen. Dabei wird die am Beispiel Südafrikas erwähnte Abwanderung von Pflegenden zusätzlich angekurbelt. Ich möchte nochmals auf die erste Graphik „Nurses Working“ verweisen, die ein völlig atrophiertes Afrika zeigt, einen Kontinent, den Scharen von Pflegefachleuten verlassen, und der doch wegen seiner immensen Krankheitslast (Frenk et al., 2010) am meisten auf diese angewiesen wäre.
Der dritte Teil von Beiträgen über Pflege und Migration fragt danach, wie denn ausländisches Personal rekrutiert wird. Gehri, Gurtner, Moser & Weninger untersuchen in einer kurzen Umfrage, was die Arbeitsgeber in der Schweiz unternehmen, um qualifizierte Pflegefachpersonen im In- und Ausland zu rekrutieren und längerfristig im Beruf zu halten. Im letzten Beitrag diskutieren Berger & Herrnschmidt ethisch korrektes Rekrutieren von Gesundheitspersonal anhand von verschiedenen Richtlinien, der EU, der OECD (Organisation for Economic Co-operation and Development), der Schweiz und der WHO und ihrem „Kodex zur internationalen Rekrutierung von Gesundheitspersonal“, letzteres ein Dokument, das die Schweiz ebenfalls unterstützt hat. Das konkrete Fallbeispiel spricht Bände und bietet dennoch, so finden wir, eine ausgeglichene Übersicht der Dilemmata, die sich durch „Nurses on the move“ ergeben.