Philippinische Krankenpflegerinnen für die Schweiz – nicht ganz unproblematisch

Von Martin Leschhorn Strebel

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Seit vergangenem Jahr befinden sich im Rahmen eines Pilotprojektes rund zwanzig Krankenpflegerinnen aus den Philippinen in Schweizer Spitälern. Die PromotorInnen sehen darin eine Möglichkeit, um den Gesundheitspersonalmangel in der Schweiz abzufedern. Die Rekrutierung aus dem südasiatischen Land bringe nur Vorteile: Filipinas gelten als freundlich und anpassungsfähig – ausserdem bildet das Land Gesundheitspersonal für den internationalen Markt aus. Einen Mangel auf den Philippinen gebe also nicht. Im Gegenteil: Auf den Philippinen sind 275‘000 KrankenpflegerInnen als arbeitslos gemeldet.

Wir meinen aber, dass es sich lohnt genauer hinzusehen. Die Philippinen sind nicht der gerne zitierte Sonderfall sondern ein typisches Schwellenland, mit einer enormen wirtschaftlichen, sozialen und damit auch gesundheitlichen Ungleichheit. Gerade auf dem Land ist die Gesundheitsversorgung schwach. Nach Schätzung von lokalen NGOs bräuchte es rund 200‘000 zusätzliches Gesundheitspersonal um die Gesundheitsversorgung für alle sicherzustellen. Das Personal wäre zwar vorhanden – doch das Gesundheitssystem ist zu schwach, es aufzunehmen.

Die Politik, Gesundheitspersonal für den Weltmarkt auszubilden, ist denn auch auf den Philippinen selbst umstritten. Sie trägt nicht wirklich zur Armutsbekämpfung bei – im Gegenteil: Familien verschulden sich für die Ausbildung einer Tochter, die am Ende nur beschränkte Chancen hat, wirklich eine Stelle im Ausland anzutreten.

Im neusten MMS Bulletin haben wir der Problematik einen Schwerpunkt gewidmet. Wir empfehlen der Schweiz aus entwicklungs- und gesundheitspolitischen Gründen dringend genauer hinzuschauen, bevor sie zu einer einfachen Schnelllösung gegen den eigenen Gesundheitspersonalmangel greift.

Martin Leschhorn Strebel
Redaktor des Bulletins und Geschäftsleitungsmitglied des Netzwerks Medicus Mundi Schweiz. Kontakt: mleschhorn@medicusmundi.ch

Der Text ist als Editorial der MMS Nachrichten vom 9. Januar 2013 erschienen.

 

Das MMS Bulletin in den Medien

Philippinische Pflegerinnen - kein Patentrezept: Falsche Erwartungen und Befürchtungen um temporäre Migration
Die Neue Zürcher Zeitung berichtete in ihrer Ausgabe vom 7. Januar 2013: "Könnte temporäres Personal aus Staaten wie den Philippinen den Mangel an Pflegefachkräften lindern? Der Gedanke scheint interessant zu sein, stösst aber auf Hindernisse und Kritik. (...) Medicus Mundi, ein Netz von Organisationen, die im Gesundheitsbereich Entwicklungszusammenarbeit leisten, äussert hingegen in seinem neuesten «Bulletin» starke Bedenken. In den Philippinen, heisst es dort, gäbe es keinen Überschuss an Pflegefachleuten, wenn das Land selber medizinisch genügend versorgt wäre.“ http://bit.ly/UzPLmu

Kantonsspital Baden mit philippinischem Pflegepersonal: Aargauer Zeitung zitiert Medicus Mundi Schweiz
Auch die Aargauer Zeitung zitiert aus dem letzten Bulletin: "Da auf den Philippinen an die 200 000 Pflegende arbeitslos sind, scheint dieses Abkommen eine Winwin-Situation zu sein. Doch Martin Leschhorn von Medicus Mundi Schweiz kritisiert das Abkommen." schreibt die Aargauer Zeitung in ihrer Ausgabe vom 8. Januar 2013. (pdf) http://bit.ly/10fHtBF