Von Lukas Meier und Prof. Dr. Jakob Zinsstag
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat hektische Wochen hinter sich. Ihre Mitgliedstaaten zogen die Lehren aus der SARS-CoV-2-Pandemie und schrieben neue Formen der globalen Gesundheitszusammenarbeit in einem noch zu verabschiedenden Pandemievertrag fest. Zur Debatte stehen effizientere Überwachungssysteme, mehr Verteilungsgerechtigkeit bei der globalen Verteilung von Medikamenten und Impfstoffen sowie einen gerechteren Zugang zu Wissen und Know-how. Vergangene Pandemien wie zum Beispiel die «Spanische Grippe» waren kolossal global. Dies trifft umso mehr auch auf die Verbreitung künftiger Keime zu. Die globale Gesundheitszusammenarbeit geht auf die Mitte des «langen 19. Jahrhundert» (Hobsbawn, 2017) zurück. Ihr durchschlagender Erfolg wurde stets durch kriegerische Auseinandersetzungen, mangelndes Wissen über die Krankheitserreger und ihre Verbreitung oder schlicht durch nationale Kurzsichtigkeit gebremst. Der folgende Beitrag versucht einige Lehren aus der Zeit der Spanischen Grippe (1918-1920) und der SARS-CoV-2-Pandemie zu ziehen. Er skizziert mögliche Eckpfeiler einer künftigen globalen Gesundheitszusammenarbeit und betont die Wichtigkeit einer stärkeren Zusammenarbeit, insbesondere der Human- und der Tiermedizin («One Health»).
Kaum waren 17 Millionen Opfer des ersten Weltkriegs (1914-1918) zu Grabe getragen, drohte der Welt erneut Ungemach: Am frühen Morgen des 4. März 1918 meldete sich in Camp Funston, Kansas, ein Mann namens Albert Gitchell auf der Krankenstation: Er klagte über Fieber, einen rauen Hals und stechende Kopfschmerzen. Bis Mittag sollten ihm über 100 weitere Patienten folgen. Albert Gitchell zählt heute zu den ersten registrierten Fällen einer Pandemie, die unter dem Namen «Spanische Grippe» in die Geschichte einging.
Die «Mutter aller Pandemien» brach in drei Wellen über die Welt herein. Sie traf eine vom Krieg ausgezehrte Bevölkerung mit voller Härte.
Ende Mai 1918 erkrankte der spanische König Alfons XIII, sein Premierminister und Mitglieder des Kabinetts an der Influenza. Dann grassierte das Virus in Polen, der Ukraine, Nordafrika, in Indien, China und Japan, bevor es etwas abflaute. Doch im August kehrte die Grippe in verwandelter Form zurück. Dies war die zweite und tödlichste Welle der Pandemie. Das Influenzavirus des Subtyps A/H1N1 tauchte gleichzeitig in Freetown (Sierra Leone), in Boston (USA) und im französischen Brest auf. Es verbreitete sich der Küste entlang in Richtung Nord- und Südamerika, nach Westafrika bis zum Horn von Afrika und über ganz Nordasien.
Es ist einfacher, die Orte auf dem Globus zu benennen, die von der verheerenden Spanischen Grippe verschont geblieben waren: Zu ihnen gehörte die Antarktis, die Inseln St. Helena im Südatlantik, Marajo, im Mündungsgebiet des Amazonas sowie die grössere Insel Australien. Mit seinen geschätzten 50 bis 100 Millionen Toten forderte die Spanische Grippe womöglich mehr Menschenleben als die beiden Weltkriege zusammen (Spinney, 2018).
Es ist einfacher, die Orte auf dem Globus zu benennen, die von der verheerenden Spanischen Grippe verschont geblieben waren. (...) Mit seinen geschätzten 50 bis 100 Millionen Toten forderte die Spanische Grippe womöglich mehr Menschenleben als die beiden Weltkriege zusammen.
Das Influenzavirus erwischte eine Welt im Umbruch. Es war eine Zeit der Gegensätze, in der die bäuerliche Tradition und rasant wachsende Metropolen, Tauschhandel und Kapitalismus, Herdfeuer und dampfende Kaminschlote koexistierten. Um es in den Worten der Wissenschaftsjournalistin Laura Spinney auszudrücken:
«Es war eine Welt, die das Automobil zwar kannte, sich auf dem Maultierrücken aber wohler fühlte; eine Welt, die zwar schon an die Quantentheorie, aber auch noch an Hexen glaubte; eine Welt im Spagat zwischen Vormoderne und Moderne, sodass manche Menschen bereits in Wolkenkratzern wohnten und Telefone benutzten, andere hingegen noch wie ihre Vorfahren im Mittelalter lebten.” (Spinney, 2018, S. 45).
Die rasante globale Ausbreitung des Virus war seiner hohen Virulenz sowie der letzten Phase des Krieges und der ersten Friedensperiode mit seinen grossen Truppenbewegungen und den taumelnden Friedensfeierlichkeiten geschuldet. Am 9. November 1918 dankte Kaiser Wilhelm II ab. Zwei Tage später wurde der Waffenstillstand unterzeichnet. Die Welt lag sich in den Armen und H1N1 machte sich auf die Beine. Und niemand, der sagte: «Bleiben Sie zuhause!»
Das Wissen um den Erreger war während der Pandemie diffus.
Zwar waren die Arbeiten von Louis Pasteur und Robert Koch zur Keimtheorie
durchaus ins Bewusstsein der Menschen eingesickert. Doch die Ärzte hatten 1918
keine Ahnung, welcher Erreger hinter der Spanischen Grippe steckte. Die
Fortschrittlichen unter ihnen vermuteten ein Bakterium. Andere zweifelten
überhaupt daran, ob es sich bei der Spanischen Grippe um eine Grippe handelte.
Und brachten Cholera, Typhus, das Dengue-Fieber oder die Pest ins Spiel. Die
Wissenschaft verfügte über keinen Impfstoff und über keine antiviralen
Medikamente. Ihnen blieb nichts übrig, als den Inhalt ihres Apothekerschranks
auf die Ladentheke zu kehren: Aspirin die «Allzweckwaffe», Chinin gegen die
Malaria, Kampferöl gegen Kurzatmigkeit, Rizinusöl als Abführmittel. Alles wurde
verschrieben, nichts wirkte.
Die rasante globale Ausbreitung des Virus war seiner hohen Virulenz sowie der letzten Phase des Krieges und der ersten Friedensperiode mit seinen grossen Truppenbewegungen und den taumelnden Friedensfeierlichkeiten geschuldet. Am 9. November 1918 dankte Kaiser Wilhelm II ab. Zwei Tage später wurde der Waffenstillstand unterzeichnet. Die Welt lag sich in den Armen und H1N1 machte sich auf die Beine. Und niemand, der sagte: «Bleiben Sie zuhause!»
Die Spanische Grippe zog durch Dörfer, Städte und Länder mit nur lückenhaften Gesundheitssystemen. Als Lehre aus dieser verheerenden Pandemie definierten viele Regierungen in den 1920er-Jahren die Gesundheit ihrer Bevölkerung als staatliche Aufgabe. Sie schufen eigene Gesundheitsministerien und riefen gesetzlich verankerte Krankenversicherungen ins Leben (Ein frühes Beispiel ist Deutschland, 1883). Eng verknüpft mit zentralisierten nationalen Gesundheitssystemen war auch das Aufkommen einer gänzlich neuen Wissenschaft, die sich mit den Ursachen, der Verbreitung und Kontrolle von Infektionskrankheiten und chronischen Krankheiten befasst: die Epidemiologie. Nach der Pandemie wurden die Meldungen zu Krankheitsausbrüchen systematisiert und erste epidemiologische Überwachungssysteme etabliert. 1925 beteiligten sich alle US-Staaten an einem System der staatlichen Berichterstattung zur Sterblichkeit. Das Frühwarnsystem, das 1918 bedauerlicherweise gefehlt hatte, nahm Gestalt an. China übermittelte von nun an regelmässig Gesundheitsdaten aus seinen Häfen an den Völkerbund in Genf.
Eng verknüpft mit zentralisierten nationalen Gesundheitssystemen war auch das Aufkommen einer gänzlich neuen Wissenschaft, die sich mit den Ursachen, der Verbreitung und Kontrolle von Infektionskrankheiten und chronischen Krankheiten befasst: die Epidemiologie.
Die Spanische Grippe hat der internationalen Gesundheitszusammenarbeit zu neuem Schub verholfen. Wichtigste Organisationen in der Zwischenkriegszeit waren ohne Zweifel die Rockefeller Foundation sowie die 1924 in Genf gegründete Gesundheitsorganisation des Völkerbundes (League of Nations Health Organization, LNHO I. Borowy, 2009; P. Weindling 2006). Bis zu ihrer Auflösung im Jahr 1951 war die LNHO in über 80 Länder der Welt aktiv. Freilich: Der Wille zur Internationalen Zusammenarbeit in vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens ist älteren Datums. Mit dem aufkommenden Seehandel in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts dämmerte es vielen Staaten, dass einseitige Quarantänemassnahmen in grossen Häfen nicht mehr reichten, um infektiösen Keimen Herr zu werden.
1851 organisierte Frankreich die erste «International Sanitary Conference», um internationale Quarantänestandards gegen häufige Ausbrüche der Cholera, der Pest und des Gelbfiebers durchzusetzen (Bynum, 1993). Die bis 1938 abgehaltene Serie von 14 internationalen Treffen führten 1907 zur Gründung des «Office International d’Hygiène Publique (OIHP) in Paris. Sein vornehmliches Ziel war die Sammlung und Bereitstellung von epidemiologischen Daten und Hilfeleistungen bei Fragen der Quarantänemassnahmen. Im Jahr 1924 wurde das «Office International des Epizooties» (OIE), die heutige Weltorganisation für Tiergesundheit, ebenfalls in Paris gegründet. Das OIE legte die Grundlage für die länderübergreifende Bekämpfung von Tierkrankheiten. Dieser auf wissenschaftlicher Grundlage beruhende Internationalismus setzte sich auch in anderen Gesellschaftsbereichen durch. 1865 wurde die «International Telecommunication Union» gegründet; 1874 die «General (später: Universal) Postal Union»; 1885 das «International Statistical Institute» und 1989 die «International Commission of Agriculture», um nur einige zentrale Akteure zu nennen.
Doch der Internationalismus hatte im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert einen schweren Stand. Er kollidierte mit starken nationalistischen Tendenzen, kämpfte gegen ein lautstarkes Säbelrassen, das von den Kasernenhöfen einzelner Staaten widerhallte und ging 1914 in einem unvorstellbaren Gemetzel des Ersten Weltkrieges unter.
Das Wissen um die Bedeutung globaler Zusammenarbeit und die mangelnde Umsetzung einer solchen, ist ein Phänomen, das uns auch jüngst im Rahmen der SARS-CoV-2-Pandemie begegnete. In diesem Sinne humpeln wir mit der Geschichte im Gleichschritt.
Das Wissen um die Bedeutung globaler Zusammenarbeit und die mangelnde Umsetzung einer solchen, ist ein Phänomen, das uns auch jüngst im Rahmen der SARS-CoV-2-Pandemie begegnete. In diesem Sinne humpeln wir mit der Geschichte im Gleichschritt. Es steht ausser Frage: SARS-CoV-2 ermöglichte die Entwicklung neuer Impfstoffe und diagnostischer Tests im Schnellzugstempo. Der Datenaustausch epidemiologischer Erkenntnisse innerhalb der globalen Forschergemeinschaft lief auf Hochtouren. Doch SARS-CoV-2 offenbarte auch Schwachstellen im globalen Gesundheitssystem. Einige Länder beschlossen im Alleingang Reisebeschränkungen oder Eindämmungsmassnahmen. Während sich europäische Regierungen mit Vorauszahlungen an Produzenten die Impfstofflager für die eigenen Gesellschaften füllten, gingen weniger liquide afrikanische Staaten wie Uganda oder Ghana leer aus. Die Covax-Initiative von GAVI, CEPI und der WHO mit dem Ziel 2 Milliarden Impfdosen gegen SARS-CoV-2 weltweit zu verteilen, kam nur schleppend in Gang.
Auch darum diskutieren die Mitgliedstaaten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aktuell einen internationalen Pandemievertrag. Die neue Vereinbarung soll die Prävention und Surveillance-Response-Mechanismen effizienter gestalten. Es geht um stabile Lieferketten, Impfstoffe und Medikamente. Aber auch um einen gerechteren Zugang zu Wissen und Know-how (WHO, Proposal for the WHO Pandemic Agreement, April 2024). Wichtig im neuen Vertragswerk der WHO ist der globale Austausch von Krankheitsproben («Pathogen Access and Benefit Sharing»). Und dieser soll auch die Pharmaunternehmen etwas kosten: Die Unternehmen müssen für den Erhalt von DNA-Sequenzen von z.B. Virenstämmen eine Gegenleistung erbringen, wenn daraus neue Impfstoffe entwickelt werden. Auch für den Aufbau des PABS-Systems selbst sollen die Unternehmen bereits jetzt Gebühren bezahlen. Kommt es zur Pandemie und entstehen auf der Basis der Erregerproben Impfstoffe oder Medikamente, dann gilt: 10% der Produktion geht kostenlos an die WHO. Weitere 10% werden zu einem niedrigen Preis abgegeben. Damit erhofft sich die WHO mehr Verteilungsgerechtigkeit bei der Impfstoffverteilung im Pandemiefall.
Bereits Ende des 19. Jahrhunderts erkannten Wissenschafter wie Rudolf Virchow die Zusammenhänge zwischen der Gesundheit der Menschen, Tieren und der Umwelt. So sagte er im Preussischen Senat im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Rindertuberkulose, dass es keinen grundsätzlichen Unterschied zwischen Human- und Tiermedizin geben sollte, weil sie die gleichen wissenschaftlichen Grundlagen haben (Saunders, 2000). Yevgeny Pavlovsky prägte den Begriff des «Naturherds» von Krankheiten Anfang des 20. Jahrhunderts. Er beobachtete Wildtiere, die Krankheitskeime in sich trugen, ohne dabei nennenswert daran zu erkranken. Nach dem zweiten Weltkrieg führte James Steele in den USA das Konzept der «Veterinary Public Health» ein, als Beitrag der Veterinärmedizin zur öffentlichen Gesundheit (Steele, 1947). Calvin Schwabe beobachtete während seiner Arbeit an der amerikanischen Universität in Beirut wie die Bevölkerungsgruppen der Dinka im Sudan eng mit ihren Kühen, Schafen und Ziegen zusammenlebten. Dies inspirierte ihn zum Begriff von «One Medicine» und er stellte fest, dass kein paradigmatischer Unterschied besteht zwischen Human und Tiermedizin (Schwabe, 1984).
Im Jahr 2005 erschien in der renommierten Zeitschrift «Lancet» der erste Artikel, der den Begriff «One Health» als Mehrwert einer engeren Zusammenarbeit von Human- und Tiermedizin und anderen Wissenschaften zusammenfasste.
In den 1990 Jahren entstand das Konzept der «ökosystemischen Ansätze zur Gesundheit» auf Englisch «Ecohealth». Es beruht auf der Beobachtung, dass ökologische Gleichgewichte die Gesundheit beeinflussen. So führt zum Beispiel die Abholzung im Amazonasgebiet zur Auswaschung vom in den Böden vorhandenen Quecksilber und reichert sich danach in den Fischen an, die wiederum von Menschen gegessen werden (Rapport, Costanza, Epstein, Gaudet, & Levins, 1998). Die Wildlife Conservation Society (WCS) erkannte die Bedeutung von gesunden Menschen und Tieren für die Erhaltung der Wildtiere in den grossen Nationalparks und formulierte im Jahr 2004 die sogenannten «Manhattan Principles on One World, One HealthTM».
Im Jahr 2005 erschien in der renommierten Zeitschrift «Lancet» der erste Artikel, der den Begriff «One Health» als Mehrwert einer engeren Zusammenarbeit von Human- und Tiermedizin und anderen Wissenschaften zusammenfasste (J. Zinsstag, Schelling, Wyss, & Bechir, 2005). Die Ausbrüche der bovinen spongiformen Enzephalitis (BSE) und die Pandemie der H1N1 aviären Influenza um die Jahrtausendwende alarmierte die Weltgemeinschaft und führte zur Wiederbelebung des Internationalismus mit der Gründung der «Tripartiten» Zusammenarbeit zwischen der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der Welternährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) und der Weltorganisation für die Tiergesundheit (OIE).
Heute anerkennt die Gruppe der sieben grössten Volkswirtschaften (G7) und auch die G20 die Bedeutung von «One Health» für die Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen, der integrierten Überwachung und Bekämpfung von neu-auftretenden Krankheiten und der pandemischen Prävention. Eine grosse Bedeutung dabei hat ein besserer Tierschutz.
Schliesslich prägte man 2013 den Begriff «Planetary Health» (Whitmee et al., 2015), mit dem Ziel die Auswirkungen der grossen planetären Veränderungen wie den Klimawandel oder den Artenverlust auf die menschliche Gesundheit zu untersuchen. Die Tripartite Zusammenarbeit wurde schliesslich 2020, auch angesichts der Covid-19 Pandemie, mit dem Einbezug des Umweltprogramms der Vereinten Nationen zur «Quadripartiten» Organisation erweitert. Die «Quadripartite» ist federführend in den Bestrebungen zur pandemischen Prävention und damit auch dem Pandemischen Vertrag. Die «Quadripartite» hat auch ein One Health High Level Expert Panel (OHHLEP) (One Health High-Level Expert et al., 2022) ins Leben gerufen. Dreissig Expertinnen und Experten aus allen Kontinenten beraten die vier Weltorganisationen, wie integrierte Ansätze wie «One Health» weltweit international und national umgesetzt werden können.
Heute
anerkennt die Gruppe der sieben grössten Volkswirtschaften
(G7) (Anonymous, 2021) und auch die G20 die Bedeutung von «One Health»
für die Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen, der integrierten
Überwachung und Bekämpfung von neu-auftretenden Krankheiten und der
pandemischen Prävention. Eine grosse Bedeutung dabei hat ein besserer
Tierschutz mit dem Vorschlag für eine Konvention der Vereinten Nationen
für Tiergesundheit und Tierschutz (UNCAHP, www.uncahp.org).
Die Tierhaltung, der Transport und die Vermarktung von lebenden Tieren
gelten als Risikofaktoren von Pandemien und müssen dringend verbessert
werden, um die Biosicherheit zwischen Tieren und Menschen zu verbessern
und damit Menschen und Tiere besser zu schützen. Die Vorbeugung neuer
Pandemien kann nur gelingen, wenn sich die Staaten der Weltgemeinschaft
auf die oben beschriebenen Grundlagen in einem pandemischen Vertrag
einigen. Im Moment ist diese Einigung noch nicht erreicht, aber die
Bestrebungen dazu sind intakt.
Zusammenarbeit und multilaterale Kooperation erscheinen trotz aller politischen, territorialen und ökonomischen Machtinteressen, als Gebot der Stunde. Aus epidemiologischer Sicht können Krankheiten weltweit nur durch enge Zusammenarbeit und Koordination bekämpft und ausgerottet werden.
Grenzüberschreitende, ja global sich ausbreitende Krankheiten bei Menschen und Tieren, wie wir sie seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts gehäuft beobachten, sind eine existenzielle Bedrohung. In ihrer Antwort darauf, oszilliert die Weltgemeinschaft zwischen einem internationalen Engagement und nationalen Interessen. Zusammenarbeit und multilaterale Kooperation erscheinen trotz aller politischen, territorialen und ökonomischen Machtinteressen, als Gebot der Stunde. Aus epidemiologischer Sicht können Krankheiten weltweit nur durch enge Zusammenarbeit und Koordination bekämpft und ausgerottet werden. Dies zeigt auch eine neue Studie zur Eliminierung der Tollwut in Afrika (Bucher, 2023).
Internationalismus und Nationalismus in der Gesundheitsförderung unterliegen einer wechselseitigen Konjunktur des guten Willens. Dieser wird überlagert durch die politische Weltlage, die wirtschaftlichen Bedingungen, den wissenschaftlichen Fortschritt und durch die zunehmend globalen Veränderungen wie der Klimawandel oder der drohende Artenverlust. Bereits Charles Darwin hat die Bedeutung der Zusammenarbeit erkannt und der Evolutionsmathematiker Martin Nowak argumentierte, dass Kooperation von ebenso grosser Bedeutung in evolutionären Prozessen ist wie Mutation und Selektion (Nowak, 2013).
Vor dem Hintergrund vergangener Seuchen, wie der hier dargestellten Spanischen Grippe, und angesichts der jüngeren Covid-19-Pandemie oder der gegenwärtigen Aviären Influenza in bisher unbekannten Wirten wie Kühen, ist es klar, dass eine verstärkte internationale Zusammenarbeit und Koordination unabdingbar sind, für deren Eindämmung und Vorbeugung. Internationale Vereinbarungen sind nötig, um Gleichheit, Verteilungsgerechtigkeit und den Schutz der Schwächsten zu garantieren. Solche Vereinbarungen sind nicht autoritär oder untergraben die nationale Souveränität. Sie sind ein Gebot der Vernunft.
Die Anerkennung der Bedeutung von integrierten Ansätzen wie «One Health» ist ein erfreulicher Teil dieser notwendigen Zusammenarbeit und Koordination, nicht nur zwischen Ländern, sondern auch zwischen wissenschaftlichen Disziplinen, die durch ihre Aufsplitterung zu einem gefährlichen Reduktionismus geführt haben. «One Health» ist Teil eines neuen Ansatzes, der versucht ein anthropozentrisches und dualistisches (Materie-Geist) Weltbild zugunsten einer integrierten Sichtweise zu entwickeln, die den Menschen in seiner Umwelt betrachtet. (Pelluchon, 2021). Dies führt zu einer neuen Art der Wissensgewinnung – und zu einem neuen Projekt der Aufklärung -, die sich stärker in Richtung transdisziplinäre Zusammenarbeit entwickelt und alle gesellschaftlichen Akteure einschliesst (Gabriel, 2022). Dies als eine bessere Grundlage für die Gesundheit von Menschen, Tieren, Pflanzen und der nachhaltigen Nutzung der natürlichen Ressourcen (Zinsstag, J., Meyer, J., Dimov, A., 2024).
Trotz ihrer tödlichen Bedrohung und der globalen politischen Schieflage weisen uns Pandemien den Weg zu einer neuen weltweiten Partnerschaft. Ein Weg der wissenschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Human- und Tiermedizin und vielen anderen beteiligten Wissensgebieten.