Von und Kadiatou Keita und Maya Natarajan
IAMANEH Schweiz engagiert sich in Mali zusammen mit der Organisation GAD für eine längerfristige Verbesserung der Ernährungssituation. Dank eines integrierten Ansatzes und dem kohärenten Einbezug der Mütter konnten Mangelernährungserscheinungen bei Kindern erfolgreich zurückgedrängt werden.
Mali (zVg, ©IAMANEH)
Wir möchten Sie mit diesem Projektbeispiel nach Mali entführen. Nicht in die Hungergebiete im Norden Malis, sondern in die relativ fruchtbare Region Kangaba, die an der Grenze zu Guinea liegt. Hier in den Dörfern ist die chronische Mangelernährung eine unsichtbare Katastrophe. Sie hat gravierende Auswirkungen auf den Gesundheitszustand der Menschen und trägt wesentlich zur hohen Kinder- und Müttersterblichkeit bei.
Welchen Beitrag kann eine NGO wie IAMANEH Schweiz gemeinsam mit ihren lokalen Partnerorganisationen im Süden im Kampf gegen die Mangelernährung leisten? Was ist ihr spezifischer Mehrwert und wie ergänzen NGOs an der Basis die Bemühungen auf nationaler Ebene? Welche Strategien im Kampf gegen die Mangelernährung sind erfolgreich?
Seit über 8 Jahren setzt sich IAMANEH Schweiz gemeinsam mit der Organisation Groupe Action Développement (GAD) in der Region Kangaba für eine längerfristige Verbesserung der Ernährungssituation ein. Während dieser Zeit hat das Projekt mehr als 36 Dörfer im Programm aufgenommen und die Zusammenarbeit mit vier Gesundheitszentren kontinuierlich ausgebaut. Das Programm deckt heute eine Region von 43‘000 Einwohner ab. Im Jahr 2000 wurde im Rahmen einer Studie eine gravierende Mangelernährung bei Kindern festgestellt, diese betraf 24% der untersuchten Kinder. Damals wurde auch ein schwerer Jodmangel festgestellt. Zudem litt jede siebte Frau an Anämie, die während einer Geburt fatale Folgen haben kann. Die Ursachen, so wurde damals festgehalten, waren multikausal. Soziokulturelle Faktoren wie Ernährungstabus, traditionell verankerte Ernährungsgewohnheiten, häufige kurz aufeinanderfolgende Schwangerschaften, mangelnde Hygiene, sowie saisonal bedingte Nahrungsmittelknappheit tragen zur Fehl- und Mangelernährung bei.
Mangel- und Fehlernährung schwächen das Immunsystem, dadurch fallen vor allem Kinder auch einfachen Krankheiten leicht zum Opfer. Die Aktivitäten des Projektes stehen in einem direkten Zusammenhang mit der Verbesserung der Frauen- und Kindergesundheit generell und spezifischen Fragen von Zugängen zu ausreichender Nahrung, zu Wissen und Einkommen.
Das Programm hat drei Standbeine:
Informationsarbeit, um den Zugangs zu Wissen über Krankheitsursachen und Symptome, Behandlungsmöglichkeiten und Prävention zu sichern. Die Vielfalt der angewandten Kommunikationskanäle und Instrumentenmix macht die Information für die Bevölkerung besser zugänglich. Neben Kochdemonstrationen, Radiosendungen, Theateraufführungen zu Ernährungsfragen sind Gesprächsrunden rund um die Themen Ernährung, Gesundheit, Hygiene, Schwangerschaft und Kinderpflege auch wichtige Austauschforen. Das Interesse der Frauen, die in der Mehrheit weder lesen noch schreiben können, an ernährungsrelevanten Informationen war stets gross, vor allem auch im Zusammenhang mit der Ernährung der Kinder.
Früherkennung von Mangel- und Fehlernährung durch Gewichts- und Wachstumskontrollen und Zugang zur Behandlung. Von grosser Bedeutung ist es, diese Kontrollen auf Dorfebene durchzuführen und damit möglichst alle Kinder zu erfassen, auch solche, die eben nie ins Gesundheitszentrum gehen und darum oft nicht als unterernährt identifiziert werden. Kleinkinder mit Symptomen schwerer Unter- und Mangelernährung werden im Gesundheitszentrum behandelt. Ein zentraler Aspekt ist es auch die behandelten Kleinkinder im Rahmen der Grossfamilie weiter zu betreuen und die Mütter dahingehend zu unterstützen und zu beraten, damit diese nicht in den Teufelskreis der Mangelernährung zurückfallen, was erfahrungsgemäss ein grosses Risiko darstellt.
Empowerment-Aktivitäten, die den Frauen erlauben ein Einkommen zu generieren, ihr Wissen anzuwenden und umsetzen zu können. Dazu gehört auch der Zugang zu Landparzellen, um Hausgärten anzulegen, die sie kollektiv und/oder individuell bebauen, die vertragliche Veinbarung mit den Dorfbehörden, damit ihnen das Land nicht mehr weggenommen werden kann, sowie die Möglichkeit Kleinkredite aufzunehmen und Alphabetisierungskurse zu besuchen.
Langsam und dennoch deutlich haben sich in den letzten Jahren Ernährungsgewohnheiten verändert. In der Projektregion bauen die Frauen nun verschiedenes Gemüse an, das sie zum Teil selbst konsumieren und auf dem Markt verkaufen. So verbessern sie die Ernährung der Familien und erwirtschaften einen kleinen Zugewinn, wichtig ist dabei, dass sie damit eigenes Geld haben und weniger abhängig vom Ehemann sind für Ausgaben, die sie als wichtig erachten.
Die externe Evaluation des Projekts, die alle drei Jahre nach einem standardisierten Verfahren durchgeführt wird und mit einem vorher-nachher Vergleich gekoppelt ist, zeigt eine Verbesserung der Ernährungssituation auf. Die Mangelernährung ist bei Kleinkindern zwischen 0 und 5 Jahren deutlich gesunken. Die Nachtblindheit, welche auf einen Vitamin A-Mangel zurückzuführen ist, fiel von 6.3% auf 3.6%. Jodmangel konnte in den betroffenen Dörfern mit der Einführung, dem Verkauf und Konsum von jodiertem Salz massgeblich auf 3.6% gesenkt werden. Einige Tabus bezüglich des Stillens oder der Ernährung von Schwangeren sind heute keine mehr. So kommt heute beispielsweise ein Grossteil der Neugeborenen in den Genuss des Kolostrums, das reich an Mineralstoffen und Spurenelementen ist, und das Abwehrsystem des Neugeborenen stärkt.
Im Rückblick also: Welches sind Erfolgsfaktoren im Projekt für eine verbesserte Ernährung?
• Die Initiative für das Projekt ging von der Bevölkerung aus und wurde an die lokale NGO herangetragen.
• Die NGO ist gut vernetzt mit anderen Akteuren in der Region und arbeitet eng mit den Gesundheitszentren zusammen, und in Ergänzung mit ihnen.
• Die Stärkung der Frau ist ein Kernelement des Programmes und trägt dazu bei , dass sich der Handlungsspielraum der Frauen vergrössert.
Für einen angereicherten, vitaminreichen Babybrei zu sorgen und zu wissen wie dieser zusammengesetzt sein sollte, genügt also alleine nicht. Die Mütter müssen Entscheidungsmacht und Handlungsspielräume haben. Nur so können sie ihr Wissen umsetzen und damit auch im Interesse ihrer Kinder handeln.
*Maya Natarajan ist seit 2005 Geschäftsleiterin bei IAMANEH Schweiz, davor war sie seit 1997 als Programmverantwortliche für Westafrika (Mali, Burkina Faso, Senegal und Togo) bei IAMANEH Schweiz tätig. Vor ihrem Engagement in der Entwicklungszusammenarbeit studierte sie Ethnologie und Geschichte in Basel. Kontakt: mnatarajan@iamaneh.ch
*Kadiatou Keita ist seit 1999 regionale Koordinatorin Westafrika für IAMANEH Schweiz. Nach ihrem Medizinstudium, das sie in Bamako/Mali und St. Petersburg/Russland absolvierte, hat sie einige Jahre an einem Gesundheitszentrum in Bamako gearbeitet.