Von Helena Zweifel
aidsfocus.ch führt zur Notwendigkeit, HIV-Prävention und –Behandlung mit reproduktiver und sexueller Gesundheit und Rechten zu verknüpfen, am 7. April 2011 in Bern eine Fachtagung durch.
Die Verknüpfung von HIV Programmen mit sexueller und reproduktiver Gesundheit und Rechten (SRGR) ist ein Schlüssel zu umfassender Gesundheit für alle. Diese Feststellung wird von internationalen Organisationen wie UNAIDS, UNFPA, IPPF, WHO und selbst dem Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Malaria und TB seit einiger Zeit wiederholt geäussert. (Siehe dazu den Beitrag von Susanne Rohner „Kombinierte Strategie im Kampf gegen HIV und der Förderung der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und Rechte“, im Bulletin von Medicus Mundi Schweiz Nr. 116) Denn, so die Argumentation, die Aidsepidemie ist engstens verknüpft mit der Frage der sexuellen und reproduktiven Gesundheit. Die meisten HIV-Infektionen werden beim Sex übertragen oder im Zusammenhang mit Schwangerschaft, Geburt und Stillen. Dieselben Ursachen treiben die Aidsepidemie als auch sexuelle und reproduktive Gesundheitsprobleme an, nämlich Armut, Ungleichheiten insbesondere zwischen Frau und Mann, gesellschaftliche Normen und Tabus, Diskriminierung und soziale Ausgrenzung von vulnerablen Bevölkerungsgruppen.
Von der Integration von HIV-Prävention, Behandlung und Pflege in Dienstleistungen zur Förderung der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und Rechte (SRGR) verspricht sich die International Planned Parenthood Federation (IPPF) zahlreiche Vorteile. Es optimiert z.B. die Nutzung bestehender SRGR-Infrastruktur, was in wirtschaftlich benachteiligten Regionen besonders wichtig ist. Wird alles „unter einem Dach“ angeboten, ist es für Frauen und Männern mit gesundheitlichen Problemen eher möglich, diese Angebote zu nutzen. Umfassende Dienstleistungsangebote, die nicht das Schild „Aids“ tragen, erleichtert Menschen mit HIV die Nutzung von auf sie zugeschnittenen Dienstleistungen und trägt zur Verminderung von Stigmatisierung und Diskriminierung in Zusammenhang mit Aids bei. Marginalisierte Bevölkerungsgruppen wie Drogensüchtige, SexarbeiterInnen oder Männern, die Sex mit Männern haben, könnten mit integrierten Angeboten eher versorgt werden. Hinzu kommt der doppelte Schutz vor ungewollter Schwangerschaft und sexuell übertragbaren Infektionen, besonders wichtig für Jugendliche.
Die Verknüpfung von HIV mit sexueller und reproduktiver Gesundheit und Rechten ist vor allem ein Muss aus der Überzeugung heraus, dass alle Menschen ein Recht auf Gesundheit und umfassende Gesundheitsversorgung haben. Dazu gehört das Recht, selbst bestimmen zu können, wann und mit wem jemand Sex haben, heiraten und Kinder haben will oder nicht. Die Missachtung dieser Rechte ist eine der Grundursachen für die Verbreitung von HIV und sexueller und reproduktiver Krankheiten und eine Hindernis auf dem Weg zum Ziel: Gesundheit für alle.
Junge Frauen oder Mädchen, die sich sowohl vor einer Schwangerschaft als auch einer Infektion schützen wollen, brauchen Information und ein minimales Gesundheitspaket, welches Familienplanung, Schutz vor und Umgang mit sexuell übertragbaren Krankheiten, HIV-Prävention und freiwillige Testung und Beratung zu HIV mit einschliesst. Eine zunehmende Zahl von HIV-positiven Teenagern, die bei der Geburt infiziert wurden, oder junge verheiratete Frauen benötigen eine auf sie zugeschnittene Beratung zu reproduktiver Gesundheit, zum Schutz vor Infektionskrankheiten und zu Möglichkeiten der Verhütung bzw. der Verhinderung der Übertragung des Virus aufs Kind.
Ein Blick auf die Statistiken bezeugt die Notwendigkeit eines vermehren Engagements in Sachen reproduktiver Gesundheit und Rechte und HIV: |
Die Krux scheint in der Umsetzung zu liegen. Es gibt verschiedene Modelle zur vermehrten Integration von SRGR und HIV, doch viele Fragen für die Praxis bleiben offen. Zahlreiche Studien zeigen, dass Dienstleistungsangebote mit HIV-Beratung und freiwilligen HIV-Tests und Beratung die Bedürfnisse ihrer KlientInnen nach Verhütung aussen vor lassen. In Tansania zum Beispiel haben fast alle Anbieter Kondome diskutiert, aber nur zwei Drittel Schwangerschaftsverhütung oder den Wunsch nach Kindern.
Auf die Bedürfnisse jugendlicher KlientInnen eingehend hat das AIDS Information Centre (AIC) in Uganda, welches freiwillige HIV-Tests und Beratung anbietet, ein neues Angebot entwickelt: Sog. „Jugendecken“ in separaten, aber nahen Gebäuden, wo Jugendliche hingehen können, ohne in Gefahr zu laufen, von Bekannten oder Verwandten erkannt zu werden. Hier wird auch Empfängnisverhütung und Tests für Syphilis und TB angeboten.
Ein anderes Beispiel ist das Jungendprogramm Geração Biz (“busy generation”) in Mozambique. Durch jungendfreundliche Angebote in Gesundheitszentren und Spitälern soll das Wissen Jugendlicher zu sexueller und reproduktiver Gesundheit, Verhütung ungewollter Schwangerschaft und Abtreibung verbessert werden. Zum Programm gehört ein Peer Education Projekt von und für Jugendliche, die sich gegenseitig informieren, beraten und unterstützen, in und ausserhalb der Schule.
An eine besonders verletzliche Gruppe Jugendlicher richtet sich die Organisation AMMIE (Appui Moral, Matériel et Intellectuel à l’Enfant) in Burkina Faso, eine Partnerorganisation von IAMANEH: an junge, ledige Mütter, die vom Vater des Kindes verlassen und von ihrer Familien verstossen wurden. AMMIE informiert und berät die jungen Frauen zu Verhütung, Prävention von HIV und sexuell übertragbarer Krankheiten, Ernährung und Kinderbetreuung. Zudem vergibt AMMIE Kleinkredite zur Förderung der wirtschaftlichen Selbstständigkeit und sucht mit den Familien zu vermitteln, um die jungen Mütter mit ihren Kindern wieder ins familiäre soziale Sicherungssystem zu integrieren.
Welche Modelle der Integration von HIV und sexueller und reproduktiver Gesundheit sind am wirksamsten für welche Bevölkerungsgruppen? Wie können Dienstleistungen besser an die Bedürfnisse Jugendlicher angepasst werden? Wohin wenden sich junge Mädchen und Burschen, SchülerInnen und SchulabgängerInnen, die in einer Familienplanungsklinik nichts zu suchen haben?
Von den Debatten auf dem internationalen Parkett ausgehend und gewürzt mit Erfahrungen von Partnerorganisationen im Süden und Osten werden die TeilnehmerInnen der Fachtagung von aidsfocus.ch am 7. April 2011 Chancen und Herausforderungen einer vermehrten Verknüpfung von sexueller und reproduktiver Gesundheit und Rechte mit HIV und Aids diskutieren. Inhalt und Programm der Fachtagung von aidsfocus.ch wird unter Mitwirkung von IAMANEH, dem Schweizerischen Roten Kreuz und PLANeS entwickelt.
Weitere Informationen und Anmeldung: http://www.aidsfocus.ch/
* Helena Zweifel ist Geschäftsführerin des Netzwerks Medicus Mundi Schweiz und Koordinatorin der Fachplattform aidsfocus.ch Kontakt: hzweifel@medicusmundi.ch