Von Peter Leuenberger
Vor 20 Jahren gründeten engagierte Schweizer ÄrztInnen den Verein mediCuba-Suisse. Kuba war durch das Ausscheiden seiner osteuropäischen Wirtschaftspartner in eine schwere Krise geraten. mediCuba-Suisse wollte dazu beitragen, den seit 1959 in Kuba erreichten, für ein Entwicklungsland beachtlichen Stand der öffentlichen Gesundheitsversorgung aufrechtzuerhalten.
medicuba feierte dieses Jahr den 20. Geburtstag (Peter Leuenberger, medi-Cuba-Suisse)
Die Zusammenarbeit zwischen schweizerischen und kubanischen ÄrztInnen begann in den 1980er Jahren bei Einsätzen in Zentralamerika, insbesondere in Nicaragua zur Unterstützung der sandinistischen Revolution. Als die USA ab 1985 die Wirtschaftsblockade gegen Nicaragua verstärkten, intensivierte Kuba den Einsatz von Lehrkräften und MedizinerInnen. Damals entstand die Tessiner Solidaritätsorganisation Associazione di aiuto medico al Centro America (AMCA), welche nach wie vor Gesundheitsprojekte in Zentralamerika unterstützt. Mehrere aktive Mitglieder von AMCA engagierten sich dann ebenso bei der Gründung von mediCuba-Suisse im Jahr 1992.
Als das Bruttosozialprodukt Kubas innert kurzer Zeit infolge der Beendigung der für Kuba vorteilhaften Wirtschaftsbeziehungen mit den ehemaligen Staaten des COMECON um 40 Prozent zurückging, verschärften die USA die 1961 verhängte Wirtschaftsblockade mit neuen Gesetzen (Torricelli, 1992; Helms-Burton, 1996). In dieser Situation engagierte sich mediCuba-Suisse vor allem in der Beschaffung spezifischer Rohstoffe für die Herstellung von Medikamenten durch die kubanische pharmazeutische Industrie. Vor 15 Jahren gab mediCuba-Suisse den Anstoss zur Gründung des Netzwerks mediCuba-Europa, an dem sich bis heute Solidaritätsorganisationen in zwölf europäischen Ländern beteiligen. Dadurch konnte die Basis für die Beschaffung von Ressourcen erheblich ausgeweitet werden.
Im Zuge der Verbesserung der Versorgungslage insbesondere des Gesundheitsbereichs richtete mediCuba-Suisse die Zusammenarbeit mit kubanischen Partnerinstitutionen auf längerfristige Projekte aus. Diese werden im Rahmen der Strategien des kubanischen Gesundheitsministeriums entwickelt und umgesetzt.
Die Unterstützung konzentriert sich heute auf folgende Fachgebiete: Onkologie, HIV/Aids-Prävention, Pädiatrie, Psychotherapie sowie die Ausbildung kubanischer Fachleute und wissenschaftlicher Austausch. In den letzten Jahren wurden auch Projekte im Bereich Palliativmedizin und der grünen und traditionellen Medizin (s. MMS Bulletin Nr. 117, 9/ 2010 ) abgeschlossen.
Das Netzwerk mediCuba-Europa konzentriert seine Aktivitäten auf die Unterstützung des sogenannten wissenschaftlichen Pols im Westen von Havanna, wo in mehreren Institutionen 7’000 WissenschaftlerInnen arbeiten. Im Centro de Inmunología Molecular (CIM) werden Impfungen, Antikörper und andere biotechnologische Produkte hergestellt. Diese werden auch exportiert, was für Kuba eine zunehmende wirtschaftliche Bedeutung hat und eine Entwicklung ermöglicht, die nicht von den Pharmamultis abhängt.
Das Krebsobservatorium, welches mit Unterstützung von mediCuba-Suisse aufgebaut wird, vernetzt alle im Bereich Krebs tätigen Institutionen. Es richtet sogenannte „Stationen“ ein, welche auf der nationalen Ebene, auf Provinzebene und in spezialisierten Institutionen wie Kliniken, Forschungszentren, Bildungsanstalten oder Massenorganisationen relevante Daten sammeln, systematisieren und mit den anderen Stationen vernetzen. Dieses Setting erlaubt neben der Gesamtschau auch die gezielte Vertiefung zu Teilbereichen der Onkologie wie beispielsweise Brust-, Prostata- und Dickdarmkrebs oder pädiatrische Onkologie. Dem nationalen Krebsobservatorium fällt die Aufgabe zu, dieses Reservoir an Daten, Wissen und Erfahrung nach wissenschaftlichen Kriterien zu organisieren, so dass sich daraus ein präzises Bild der Krebssituation im Land ergibt und weiterführende Strategien zur Bekämpfung von Krebs abgeleitet werden können.
Bis Ende 2005 waren in Kuba 6’967 Personen positiv diagnostiziert worden. Die Anzahl der Infizierten hat sich in den letzten sechs Jahren mehr als verdoppelt. Dank der Medikamente konnte die Zahl der Aids-Todesfälle und Aids-Erkrankungen in den letzten zehn Jahren jedoch drastisch gesenkt werden.
Seit 2003 engagiert sich mediCuba-Suisse in der Provinz Mantanzas beim Aufbau eines Präventionsprogramms. Im Fokus stehen heute Bevölkerungsgruppen, die besonders von der Epidemie betroffen sind. Dies sind vor allem Männer, die Sex mit Männern haben. Auch KubanerInnen, die Sex mit AusländerInnen haben, HIV-infizierte und aidskranke Personen und deren Angehörige sowie die Angestellten in der Tourismusbranche gehören zu den speziellen Zielgruppen.
Im nationalen Vergleich weitaus am stärksten verbreitet ist HIV/Aids in der Stadt Havanna. mediCuba-Suisse unterstützt deshalb die Intensivierung der Präventionsarbeit in der Hauptstadt.
Die Kennziffern der Gesundheit wie Lebenserwartung, Sterblichkeit der Neugeborenen und Kinder, Heilungsrate bei Krebs etc. Kubas sind im Vergleich mit andern Ländern Lateinamerikas wesentlich besser. Nach Prof. Franco Cavalli, Onkologe und Vizepräsident von mediCuba-Suisse, liegt dies daran, dass die Gesundheitsversorgung für alle offen und kostenlos ist. Die ÄrztInnen arbeiten proaktiv und besuchen die PatientInnen zu Hause. Die Forschung ist mit der alltäglichen Arbeit der MedizinerInnen verbunden. In die Ausbildung der Fachkräfte wird sehr viel investiert: Kuba bildet jährlich zehn Mal mehr ÄrztInnen aus als die Schweiz.
Für mediCuba-Suisse ist wichtig zu wissen, dass die Unterstützung des kubanischen Gesundheitssystems ebenfalls vielen Ländern des Südens zu Gute kommt. Kuba multipliziert die Solidarität durch den Einsatz von medizinischen Fachkräften in Lateinamerika, Afrika und Asien. In der „Escuela Latinoamericana de Medicina“ (ELAM) in Havanna werden Tausende MedizinstudentInnen aus zahlreichen Ländern des Südens, und sogar auch aus den USA, gratis ausgebildet.
*Peter Leuenberger ist Koordinator von mediCuba-Suisse. Kontakt: peter.leuenberger@medicuba.ch
mediCuba-Suisse stützt sich auf die Strategien des kubanischen Gesundheitsministeriums und setzt Projekte durch ihre Partner in den bestehenden nationalen, regionalen und lokalen Strukturen um. Weitere Informationen: |