Von Christian Wagner
Die Erwartungen in die Weltgesundheitsversammlung (WHA) waren groß. Für die entwicklungspolitischen NGOs war es erklärtes Ziel, den Weg für ein globales Forschungsabkommen zu ebnen. Nach einer Woche Verhandlungen einigten sich die Staaten der Welt darauf, weitere Maßnahmen zu planen – aber nicht unbedingt ein Forschungsabkommen, schreibt Christian Wagner-Ahlfs* von der BUKO Pharma-Kampagne.
Ein weltweit bindendes Abkommen für Gesundheitsforschung könnte die Lage der Menschen in Entwicklungsländern verbessern. Mit dem Abkommen, so eine ExpertInnenkommission der WHO (Consultative Expert Working Group on Research and Development: Financing and Coordination), könnten die Regierungen verpflichtet werden, eine gewisse Summe zur Forschung für die gesundheitlichen Bedürfnisse der ärmeren Länder bereitzustellen.
Diese Empfehlung des CEWG-Berichts (WHO 2012) vom April 2012 war der vorläufige Höhepunkt einer langen Diskussion. Seit nunmehr zehn Jahren bemüht man sich bei der WHO, eine global gültige Regelung für die Forschung zu finden, die die Lücken bei Versorgungen von Menschen in armen Ländern schließen soll. Diese Lücke besteht ja genau deshalb, weil der kommerzielle Anreiz fehlt und ein Monopol-basiertes Forschungssystem mit teuren Produkten hier keinen Ausweg bietet. Die CEWG-Arbeitsgruppe hatte systematisch alle vorliegenden Alternativmodelle geprüft und Empfehlungen ausgesprochen. Trotz der positiven Bewertung mehrerer Vorschläge kam die Arbeitsgruppe zu dem Schluss, dass vor allem ein koordiniertes internationales Vorgehen nötig sei. Ein verbindliches Abkommen könnte hierzu den geeigneten Rahmen schaffen und die Finanzierung der notwendigen Einzelmaßnahmen sichern.
Auf einen solchen Vertrag konnte man sich bei den Verhandlungen im Mai 2012 in Genf nicht einigen. Statt dessen gibt es nun einen Fahrplan für die nächsten Monate und somit Raum für weitere Verhandlungen. Man „begrüßt den CEWG-Bericht“, der ja etliche konkrete Maßnahmen empfiehlt, und ruft die Länderregierungen dazu auf, auf nationaler Ebene konkrete Schritte zu erarbeiten. Dazu sollen Beratungen mit allen wichtigen Akteuren stattfinden. Die Regierungen sollen sich innerhalb ihrer Regionen abstimmen – für die Schweiz wäre das entsprechende Forum das WHO Europatreffen im September 2012 auf Malta. Die WHO selbst soll sich weiterhin um die Umsetzung geeigneter Vorschläge des CEWG-Berichts kümmern. Bei der nächsten Weltgesundheitsversammlung 2013 in Genf muss dann Bericht erstattet werden.
Die Diskussion kreiste um zwei zentrale Argumente: Geld und Verbindlichkeit. Ein Vorschlag sieht vor, dass sich alle Staaten verpflichten müssten, 0,1 Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes für Forschung aufzuwenden, die sich nach den Bedürfnissen der Menschen in armen Ländern richtet. Wie viel das wäre, zeigt eine Modellrechnung von Knowledge Ecology International (KEI), basierend auf den Zahlen von 2010. (http://keionline.org/node/1414) Weltweit kämen ca. 5,1 Milliarden Euro pro Jahr zusammen, der Anteil der Schweiz läge bei rund 50 Millionen Schweizer Franken.
Während der Verhandlungen wurde schnell klar, dass viele Regierungen keine Zahlungsverpflichtungen eingehen wollen. Bisher ist die USA das einzige Land, das solch ein Ziel schon jetzt erfüllen würde – und dennoch war die USA die treibende Kraft gegen ein Forschungsabkommen, zum großen Unverständnis der US-amerikanischen NGOs. Ebenfalls strikt gegen ein Abkommen positionierte sich die Europäische Union, Kanada, Australien und die Schweiz. Die Entwicklungs- und Schwellenländer vertraten keine einheitlichen Positionen. Während Kenia einen Resolutionsvorschlag für ein Abkommen eingebracht hatte, waren andere afrikanische Länder bezüglich finanzieller Verpflichtungen wesentlich zurückhaltender. Von den lateinamerikanischen Ländern unterstützte besonders Brasilien das Abkommen, brachte aber dann den schlussendlich verabschiedeten Kompromissvorschlag ein. (Gulland, 2012)
Eine Vertreterin des deutschen Bundesministeriums für Gesundheit wertete die Entscheidung der Weltgesundheitsversammlung als guten Schritt nach vorne. Die Verhandlungen hätten gezeigt, dass noch mehr Transparenz nötig sei, welche Länder wie viel in die Forschung investieren und wo noch inhaltliche Lücken bestünden. Der für die kommenden Monate vereinbarte Arbeitsprozess könne zielgerichtet weitere Projekte voranbringen. Verhandlungen über ein bindendes Abkommen würden eher die Gefahr bergen, in der Zwischenzeit die Umsetzung konkreter Maßnahmen zu blockieren.
Entwicklungspolitische NGOs wie Health Action International halten ein bindendes Abkommen nach wie vor für sinnvoll, betonen aber, dass die Resolution immerhin die Chance biete, dass einige konkrete Maßnahmen umgesetzt werden. ((HAI 2012)) Die Hoffnung stirbt zuletzt: Bisher gibt es ein einziges völkerrechtlich bindendes Abkommen der WHO – es gilt der Tabak-Kontrolle und hat ebenfalls eine schwere Geburt hinter sich.
*Dr. Christian Wagner-Ahlfs arbeitet seit 2001 bei der BUKO Pharma-Kampagne (http://www.bukopharma.de/). Seine Arbeitsgebiete sind Forschungspolitik, vernachlässigte Krankheiten und Patentschutz. Aktuell koordiniert er für die Pharma-Kampagne das Projekt med4all. Kontakt: cw@bukopharma.de
Der Text erscheint in einer leicht angepassten Form auch im Pharma-Brief der BUKO Pharma-Kampagne, Nr. 5.
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