Von Nils Undritz und Marlies Kurt
Seit nunmehr zehn Jahren engagieren sich Schweizer Spitäler im Bereich der Spitalpartnerschaften in Osteuropa. Seit dem 1. Juli 1992 unterstützt die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) dieses Programm in finanzieller wie auch beratender Hinsicht. Die Partnerschaften sind auf einen längeren Zeitraum ausgelegt und zielen auf den kontinuierlichen Aufbau der Personaldienste (z.B. Teamwork, dezentrale Entscheidfindung) und der Patientenversorgung ab. Weiterbildung vor Ort und in der Schweiz sowie gut vorbereitete Materiallieferungen sind die Mittel dazu.
Die von uns vorgestellten vier verschiedenartigen Projekte zeigen die Kreativität im Bereich der Partnerschaften, die sich nach den Möglichkeiten und Neigungen der ProjektleiterInnen und dem aktuellen Bedarf ausrichten.
Die Abteilung Nuklearmedizin des Kantonsspitals Aarau, unter der Projektleitung von Herrn Prof. J. Locher, hatte es sich zum Ziel gesetzt, in Varna eine MTRA-Schule aufzubauen. Bevor das Projekt richtig starten konnte, wurde der Bedürfnisnachweis durch eine Umfrage ermittelt. Das rechtliche Umfeld wurde sorgfältig abgeklärt (Studienpläne, Akkreditierung, Kooperation mit Uni/College und den Spitälern etc.). Der Bedarf der Räumlichkeiten wurde ermittelt und angepasst, Unterrichtsmittel und Ausrüstung wurden beschafft, die Schulleitung und der Lehrkörper bestimmt; es mussten Praktikumstellen gefunden und die Kaderaus- und Fortbildung sichergestellt werden.
Die Finanzierung wurde von Anfang an klar definiert. So musste die Besoldung des Lehrkörpers, die Bereitstellung der Infrastruktur und die Organisation des Lehrbetriebes von Varna sichergestellt sein. Das Kantonsspital Aarau verpflichtete sich unter anderem zur Finanzierung von ausbildungsbezogenen Ausrüstung, Einrichtungen und Unterrichtshilfen, von Reisekosten und Aufenthaltskosten von Stagiaires in der Schweiz, von Lehrmittelbeschaffung, Übersetzungen etc.
Inzwischen haben zehn StudentInnen das erste Ausbildungsjahr mit guten Prüfungsresultaten bestanden. Alle haben eine Praktikumstelle angetreten. Für den zweiten Kurs wurden von Sofia 13 Studienplätze bewilligt, die nach den Aufnahmeprüfungen von zehn Bulgaren und drei voll zahlenden Ausländerinnen besetzt wurden. Es besteht eine riesige Nachfrage. Bei der Inspektion durch die staatliche Akkreditierungskommission wurde der Schule ein sehr hohes Rating verliehen (41.38 Punkte von max. 50 Punkten), was die Durchführung weiterer Kurse sichert. Trotz der Anerkennung steckt das Projekt noch in der Anfangsphase, und Erfahrungen werden kritisch analysiert und im Projekt integriert.
Das Projekt belegt die Notwendigkeit der Integration in das staatliche Rahmengefüge, sonst bestehen keine Überlebenschancen, und die Diplome sind für die AbsolventInnen wertlos. Dieses Projekt schafft Nachhaltigkeit, denn die einmal gegründete Schule wird auch nach einem Erlöschen der Partnerschaft weiter funktionieren und Wissen vermitteln.
Die Klinik Sonnenhalde in Riehen führt als erste Privatklinik der Schweiz seit Sommer 2002 eine Spitalpartnerschaft mit der Psychiatrischen Klinik in Veliko Tarnovo. Nebst Projektaktivitäten wie der Weiterbildung von Ärzten und Pflegenden oder der Einrichtung einer Aktivierungstherapie will sie die Wiedereinrichtung der Schweinehaltung sowie den Gemüse- und Kleeanbau auf dem reichlich vorhandenen, aber ungenutzten Land aufbauen.
Welches war der Hintergrund für dieses Projekt? Bei einem ersten Abklärungsbesuch der Riehener Delegation hat sich rasch gezeigt, wo die Probleme liegen: Die Patienten werden zuwenig beschäftigt, und sie haben zu wenig zu essen. Mit dem Aufbau der Schweinehaltung werden die Patienten aktiviert, bei der Unterhaltung der Landwirtschaft kann eine Arbeitstherapie etabliert werden, und als sichtbares Ergebnis der Schweinezucht wird der Speisezettel mit Fleisch bereichert. Unterstützt werden die Therapeuten der Partnerklinik von einem Arbeits- und Ergotherapeuten sowie einem Landwirt aus Riehen. Mit dem Kleeanbau wird nebst der Arbeitstherapie für die Patienten die Selbstversorgung der Schweinezucht mit Klee angestrebt. Die Klinik Riehen wird im Anfangsstadium noch finanzielle Unterstützung bei der Kultivierung von Klee (Saatgut, Pflege, Ernte) und beim Kauf von Tieren und Futtermittel geben, ansonsten werden die Projekte vor allem durch Vermittlung von Know-How unterstützt.
Dieses Projekt nimmt Anleihen aus der früheren und leider verloren gegangen Kultur psychiatrischer Kliniken auf. Sie integriert die Landwirtschaft in die Therapie und verbessert gleichzeitig die Ernährungssituation. Der Mittelbedarf seitens der Schweiz ist vergleichsweise bescheiden. Die baslerische Unterstützung hat der Klinikleitung von Veliko Tornovo Flügel verliehen: Mit eigenen Mittel wurden Baukörper neu gestrichen, die sanitären Anlagen völlig erneuert und eine Privatabteilung mit geschmackvoll möblierten Zweierzimmern eingerichtet. Deren Erträge sollen allen Patienten zugute kommen.
Während verschiedenen Besuchen einer Fribourger Delegation im Spital Constanta (1400 Betten, 4000 Angestellte) hat sich gezeigt, dass das Personal in allen Abteilungen zu viel Zeit darauf verwendet, Informationen und Daten über die Patienten von Hand zu notieren. Dieselben Arbeiten wurden mehrfach gemacht, zudem sind handgemachte Statistiken nicht sehr zuverlässig. Das Pflegepersonal braucht zu viel Zeit für administrative Tätigkeiten, die damit den Patienten vorenthalten wird.
Um diesen Mangel zu beheben, wurde die Projektidee geboren, die Abteilungen des Spitals mit weiteren PC auszustatten und sie miteinander zu vernetzen. Die Patienten werden so nur noch einmal erfasst. Durch die Netzwerkverbindung in der Informatik für alle Abteilungen dient die Kostenerfassung aller Leistungen gleichzeitig als Instrument für die Tarifverhandlungen mit der Krankenversicherung.
Das Projekt wurde vom Kooperationsbüro der DEZA in Bukarest unter Einbezug eines externen Informatikers evaluiert und als mutig, aber realisierbar befunden. Daraufhin wurde ein Pflichtenheft erstellt und Offerten eingeholt. Die ersten Bestellungen wurden erst aufgegeben, nachdem ein detaillierter Vertrag zwischen den Fribourger Spitälern und dem Spital Constanta unterschrieben worden war.
Das Projekt steht jetzt in der Startphase und wird auch für andere Spitäler von grossem Interesse sein. Die Kultur der Erfassung objektiver Daten als Verhandlungsgrundlage zwischen Partnern war in den ehemaligen Sowjetrepubliken inexistent.
Das Pilotprojekt “Patientenkarte für die chirurgischen und medizinischen Stationen” im VOSD bezweckt die Rationalisierung der Arbeitszeit der Ärzte und des Pflegepersonals in den Spitälern und die effizientere Nutzung der Zeit für die Dokumentationsführung. Dazu wurde im Frühling 1999 ein Seminar vor Ort durchgeführt. Durch Schulung vor Ort und von Moderatorenausbildung von vier Krankenschwestern im Kantonsspital Aarau wurde eine sorgfältige und umfassende Ausbildung des Personals gewährleistet. Mit der Teilnahme an einem Internationalen Pflegekongress in Nürnberg wurde die Ausbildung abgerundet.
Überzeugt vom Nutzen der Patientenkarte, die administrative Abläufe vereinfacht und die medizinische Information standardisiert und verbessert, hat das kirgisische Gesundheitsministerium ein ministerielles Dekret zur Einführung der “Patientenkarte” erlassen. Die Patientenkarte wird nun im ganzen Land verwendet. Die Analyse der Projektergebnisse hat gezeigt, dass noch einiges verbessert werden kann. Man hat sich für die Einführung des Pflegeblattes insbesondere auch in den Intensivstationen entschieden. Zu diesem Zweck wurden drei Krankenschwestern während einem Praktikum von drei Monaten im November 2002 im KS Aarau weitergebildet. Im Gang ist auch der Auf- und Ausbau eines Informationszentrums für alle medizinischen Institutionen des Südens von Kirgistan.
Die geographische Abgeschiedenheit Kirgistans von der Schweiz lässt im Rahmen einer mit wenig Mitteln funktionierenden Spitalpartnerschaft keine Materialtransporte auf dem Landweg zu. Trotzdem kann dem Land geholfen werden. Die in Aarau weitergebildeten Pflegepersonen haben 16 Projekte für die Verbesserung der Kommunikationskultur aufgegriffen, um die Motivation des medizinischen Personals in Kirgistan zu fördern.
Unser Abriss von vier verschiedenen Projekten in verschiedenen Ländern zeigt, wie sich die Partnerschaften Schritt um Schritt entwickeln und worauf es in der Osthilfe ankommt: das Verhalten des medizinischen Personals mit den Anforderungen einer leistungsfähigen, auf dem Dialog basierenden Gesundheitsversorgung in Einklang zu bringen.
Mit dem voraussichtlichen Beitritt von Bulgarien und Rumänien zur EU voraussichtlich im Jahre 2007 wird sich die offizielle Schweiz langsam aus diesen Ländern zurückziehen. Die aus langjähriger Zusammenarbeit entstandenen Freundschaften werden aber anhalten. Ausserdem gibt es Arbeit genug in anderen Ländern wie zum Beispiel Moldawien und Mazedonien, wo allenfalls neue Partnerschaften entstehen werden . Eine weitere Herausforderung ist es, die in der Schweiz und vor Ort gewonnenen Kompetenzen in der Gesundheitsentwicklung Dritten zur Verfügung zu stellen.
*Nils Undritz leitete von 1978 bis 1995 das Generalsekretariat der Veska, heute H+ Die Spitäler der Schweiz. Seither ist er unabhängiger Berater und führt die Netzwerke hospitaltwinning.ch und healthhospitals.ch. Marlies Kurt ist für die Logistik zuständig. Kontakt: contact@hospitaltwinning.ch.
Die an Spitalpartnerschaften beteiligten Schweizer Spitäler sind in einem Netzwerk organisiert, welches die DEZA-Mittel auf der Grundlage von Verträgen zuteilt, Erfahrungstreffen organisiert, die Qualität mittels einem standardisierten Reportingverfahren evaluiert, falls nötig Seminare durchführt und logistische Unterstützung liefert. Weiterführende Informationen: www.hospitaltwinning.ch.