Von Peter Schmid
Neue Wege in der Nord-Süd-Zusammenarbeit im Gesundheitswesen begeht das Regional Dermatology Training Centre (RDTC) in Moshi, Tansania: Um seine beiden Hauptaufgaben - die Erkennung und Behandlung von Hautkrankheiten und die Ausbildung von einheimischem Fachpersonal - besser wahrnehmen zu können, steht es via Internet in einem regen Austausch mit Fachleuten aus dem Norden. Ein gegenseitiges Geben und Nehmen.
Angesichts der eingeschränkten Mittel im Gesundheitswesen und der immensen Probleme - HIV, Malaria, Tuberkulose - kommt der Dermatologie in den Ländern Afrikas südlich der Sahara - verständlicherweise - nur ein sehr geringer Stellenwert zu. Trotzdem sind Krankheiten aus dem dermato-venerologischen Bereich auch in diesen Ländern sehr häufig: Untersuchungen zeigen, dass 30 - 40 % der Bevölkerung an Hauterkrankungen leiden. Diese sind zwar selten lebensbedrohend, ziehen aber oft eingeschränkte Lebensqualität (z.B. Juckreiz infolge Krätzmilbe) oder gar Behinderungen (Geschwüre, tiefe Hautinfekte, dazu natürlich auch Onchozerkose oder Lepra) mit sich. Viele Erkrankungen, die durch Pilze, Krätzmilben oder andere Hautparasiten verursacht werden, sind vermeidbar und können bei entsprechendem Wissen recht einfach diagnostiziert und behandelt werden.
Das Regional Dermatology Training Centre (RDTC) hat zwei Ziele: zum einen soll die lokale Bevölkerung Zugang zu einer dermatologischen Versorgung erhalten, und zum anderen soll die Ausbildung von lokalem Gesundheitspersonal in Haut- und Geschlechtskrankheiten sowie der Lepra unterstützt werden. Dazu werden Clinical officers (Fachschulabsolventen mit mehrjähriger praktischer und theoretischer medizinischer Ausbildung, aber ohne Hochschulabschluss) in zwei Jahren zu Dermatology medical officers ausgebildet. Seit der Gründung 1992 wurden am inzwischen zum WHO Collaborating Centre for Dermatology and STD anerkannten RDTC über 40 Dermatology medical officers aus Botswana, Kenia, Lesotho, Malawi, Namibia, Swaziland, Tansania, Uganda und Sambia ausgebildet. Die Kosten werden zu einem Teil von den Heimatstaaten der Anwärter, zum grösseren Teil aber durch die International Foundation of Dermatology (IFD) getragen. Geleitet wird das RDTC von einer Gruppe von Dermatologen, die teils aus Tansania, teils aus Übersee stammen.
Das RDTC ist eines der beiden tansanischen Zentren für Hauterkrankungen. Am RDTC treffen wir deshalb einerseits viele Hauterkrankungen, die auch in Europa häufig sind wie Ekzeme, Schuppenflechte, Akne oder auch Hautausschläge bei Medikamentennebenwirkungen, die von einfachen Hautverfärbungen bis zum leider meist tödlich verlaufenden Syndrom der verbrühten Haut reichten. Derartige Nebenwirkungen sind v.a. auf Antibiotika und Antimalariamittel zurückzuführen, die ja in der Bevölkerung sehr oft und teilweise auch unkritisch eingesetzt werden. Dazu werden HIV-assozierte Hauterkrankungen leider täglich gesehen.
In den umliegenden ländlichen Gebieten hingegen sind vor allem Hautinfektionen sehr häufig: Krätzmilbe, Hautpilze, Kopfläuse und eiternde Wunden. Umfragen zeigen, dass zwar ein Grossteil der Gesundheitsarbeiter diese Erkrankungen erkennen können, dass aber weniger als ein Fünftel über genügend Kenntnisse verfügt, um die Krankheit wirksam zu behandeln, oder dass die entsprechenden Medikamente, obwohl kostengünstig und gut lagerbar, nicht zur Verfügung stehen. In den Dörfern an den Abhängen des Kilimanjaros sind Albinos sehr häufig. Diese leiden aufgrund der hohen Sonnenlichtexposition schon im frühen Erwachsenenalter an Hautschäden und werden zudem oft auch sozial stigmatisiert. Im Rahmen eines "Albino Outreach Programme" besuchten wir diese Dörfer in regelmässigen Abständen. Dabei ging es einerseits um die Aufklärung und Prävention durch die Aufklärung über die notwendigen Sonnenschutzmassnahmen (Tragen von breitkrempigen Hüten, langärmligen Kleidern, Sonnenbrillen etc), andererseits um die frühzeitige Erfassung von Hauttumoren, die oft schon bei 20 - 30- jährigen auftraten.
Das Ausbildungscurriculum des RDTC wurde gemeinsam mit dem Gesundheitsministerium von Tansania ausgearbeitet. Aufnahmekriterium ist eine mindestens dreijährige Ausbildung im medizinischen Sektor sowie eine zusätzliche mindestens zweijährige praktische Berufserfahrung. In Tansania entspricht dies den Clinical officers, die meist auf regionaler oder Distriktebene eingesetzt sind. Nach der zweijährigen Ausbildung können sich die Absolventen als Dermatology medical officers (DeMO) bezeichnen, entsprechend den allgemeinmedizinisch ausgebildeten Medical officers (MO). Leider wurden bisher die Dermatology medical officers in Tansania trotz gegenteiliger Abmachung den MO nicht gleichgestellt.
Administrativ dem Kilimanjaro Christian Medical College (KCMC) angegliedert, ist das RDTC finanziell dank der Unterstützung durch die IFD weitgehend vom Staat unabhängig. Hingegen gilt wie im ganzen Land das System des "cost sharing". Die Patienten müssen für jede Konsultation eine gewissen Betrag bezahlen, gegenwärtig 1500 Shilling für Erstkonsultation und 500 Shilling für jede weitere Konsultationen. Viele Medikamente, v.a. Salben werden am RDTC in einer kleinen Apotheke selbst hergestellt und zum Selbstkostenpreis abgegeben. Da sowohl Wirkstoffe wie Salbengrundlagen zum Teil kostenlos von internationalen Pharmafirmen zur Verfügung gestellt werden, können die Preise sehr tief gehalten werden und liegen weit unter den handelsüblichen Preisen für ähnliche Präparate etwa in öffentlichen Apotheken. In Zusammenarbeit mit einigen traditionellen Heilern werden auch aus lokalen Pflanzen hergestellte Medikamente für Hautleiden erprobt und einzelne wirksame Pflanzen gezüchtet, um daraus in grösseren Mengen nutzbare Salben herzustellen.
Bereits die relativ niedrigen Kosten können für einzelne Patienten, v.a. mit chronischen Erkrankungen wie einer Schuppenflechte, zu hoch sein. Dazu kommen die teilweise sehr langen Anreisewege, gibt es doch ausser in Dar es Salaam kein vergleichbares Zentrum für Hautleiden in Tansania. Umso mehr Bedeutung kommt daher der Ausbildung von Dermatology medical officers zu, die danach ihre Tätigkeit auf Distriktebene verteilt im ganzen Land aufnehmen. Ein Teil der Tätigkeit der Dermatology medical officers besteht idealerweise auch darin, auf lokaler und kommunaler Ebene weiteres Gesundheitspersonnal oder auch die Bevölkerung insbesondere auch in der Prävention von Haut- und auch Geschlechtserkrankungen auszubilden.
Bei der Beurteilung der Hautkrankheiten ist es von Vorteil, dass die Möglichkeit zur histologischen Untersuchungen von Hautproben am Kilimanjaro Christian Medical College besteht. Eine regelrecht revolutionäre Möglichkeit in dieser Umgebung stellte zudem die Teledermatologie dar: Mit einer Digitalkamera werden Aufnahmen von Patienten oder Gewebeproben in elektronischer Form auf einer Computerfestplatte gespeichert. Mit Hilfe eines Modems können diese Bilder dann auf einen normalen Telefonanschluss und von dort in das Internet gesendet werden und aus diesem wiederum von Fachkollegen, die über ein Passwort Zugang zu diesen Bildern haben, empfangen werden. Dieser Austausch kann in "real time" erfolgen, d.h. beide Partner sind gleichzeitig am Telefonnetz und können die gesandten resp. Empfangenen Bilder direkt miteinander diskutieren. Es ist auch möglich, die Bilder als Anhang an eine E-mail-Nachricht über das Modem zu versenden - an jeden gewünschten Empfänger auf der Welt, der eine E-mail-Adresse besitzt. Das Senden einer solchen Nachricht beansprucht wenige Minuten eines Telefonanrufes zum nächsten Internet-Provider. Solche Provider haben auch in Tansania zumindest in urbanen Gebieten stark zugenommen, so dass sie meist über Anrufe zum Lokaltarif erreicht werden können. Die Abonnementsgebühren beim Provider für den Zugang ins Internet kosten allerdings um 30 - 50 US$ pro Monat.
Die teledermatologische Verbindung erlaubt dem RDTC nun, Patientenbilder und histologische Aufnahmen mit Fachkollegen in der Schweiz auszutauschen und zu diskutieren. Für die lokalen Kollegen war der Kontakt mit diesen Medium zwar anfänglich sehr ungewohnt. Aufgrund einer zunehmend Nutzerfreundlichen Software kann diese Kommunikation nun aber auch von Ihnen selbständig betrieben werden. Bereits senden auch Schweizer Dermatologen Bilder von dunkelhäutigen Patienten ans RDTC, um sich von den dortigen Kollegen beraten zu lassen. Dadurch ist ein gegenseitiger Wissensaustausch in Gang gekommen. Das Netz wird zur Zeit ausgebaut, so dass in der nahen Zukunft auch Kollegen in Uganda und weiteren Zentren Afrikas dermatologische Befunde untereinander und mit Kollegen in Europa und den USA besprechen können.
Das Potential dieser Technologie in Ländern wie Tansania ist sicher sehr hoch. Nichtsdestotrotz muss beachtet werden, dass die Wartung und Modernisierung der benötigten Ausrüstung insbesondere bei der Kurzlebigkeit in der Computerindustrie hier oft nur schwierig möglich ist. Für den im kommunalen Dispensarium tätigen, lokalen Gesundheitsarbeiter wird diese Möglichkeit aufgrund der Anschaffungs - und Unterhaltskosten wohl auch in weiterer Zukunft noch kaum einsetzbar sein. Anstrengungen dies zu ändern werden bspw. in dem von der EU unterstützten Inmarsat-Projekt unternommen. Dabei werden regionale Gesundheitszentren in verschiedensten tropischen Ländern mit einem Notebook und limitiertem Direktzugang zum Satellitentelephonnetz ausgestattet. Die entsprechenden Zentren können so Befunde aller Art (Patientenbilder, Histologien, Röntgenbilder) auch räumlich weit entfernten Fachpersonen vorstellen, diskutieren und Rat einholen. Inwiefern dieser Austausch - abgesehen vom für die Beteiligten sicher stimulierenden Austausch - auch tatsächlich zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung auf Basisebene beiträgt, muss sich aber noch zeigen, nicht zuletzt auch unter dem Kosten-Nutzen-Aspekt.
*Peter Schmid (-Grendelmeier), Facharzt für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, arbeitete vom Januar 1997 - April 1998 während 15 Monaten am RDTC als Consultant Dermatologist als Lehrer und klinisch tätiger Dermato-Venerologe. Seit seiner Rückkehr in die Schweiz ist er wieder als Oberarzt an der Dermatologische Klinik und Poliklinik des Universitätsspital Zürich tätig. Ausserdem ist er als Vorstandsmitglied aktiv in der "Society for Dermatology in the tropics", einem Zusammenschluss von an der Dermatologie in den Tropen interessierten Dermatologen und Tropenmedizinern.