Von Karin Wiedenmayer und Arthur Teuscher
Chronische Erkrankungen wie Diabetes gewinnen in Ländern wie Tansania immer mehr an Bedeutung. Beispielsweise geht man heute davon aus, dass in Dar es Salaam, der Hauptstadt von Tansania, mehrere Tausend Menschen daran leiden. Man weiss heute, dass Diabetes keine Wohlstandserkrankung ist und auch die Ärmsten davon betroffen sein können. Die Einführung einer dezentralisierten und von den Patienten mitfinanzierten Diabetesbehandlung soll den Zuckerkranken in Dar es Salaam neue Hoffnung geben.
Wie jede nicht infektiöse Erkrankung erfordert Diabetes primär präventive Massnahmen. Trotz diesen sind bei einem Typ 1-Diabetes Medikamente unabdingbar. Eine gesicherte Versorgung mit Insulin und oralen Antidiabetika ist deshalb notwendig. Wenn die wenigen Medikamente, zwei Insulintypen (rasch, bzw. langsam wirkend) sowie zwei orale Antidiabetika (Tolbutamid mit kurzer, Chlorpropamid mit langer Wirkung), nicht richtig eingesetzt werden, kann bei ungenügender oder fehlender Expertise das Behandlungsresultat unbefriedigend sein oder sogar die Gesundheit des Patienten gefährden, ja zum frühzeitigen Tod führen.
Um das Problem Diabetes vernünftig anzugehen, ist eine enge Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene notwendig.
Auf Grund der ungenügenden Versorgung von Diabetespatienten in Dar es Salaam haben die Stiftung für Ernährung und Diabetes Bern, das Schweizerischen Tropeninstitut sowie der City Council Dar es Salaam gemeinsam ein Projekt definiert, das sich die Verbesserung der Verfügbarkeit von Insulin und oralen Antidiabetika und damit eine Verbesserung der Lebensqualität und der Lebenserwartung von Diabetespatienten zum Ziel gesetzt hat.
Dabei wurde auf eine schrittweise Integration des Projektes in das Gesundheitssystem von Dar es Salaam geachtet, um die Nachhaltigkeit der Massnahmen zu sichern. Aus diesem Grund war von Anfang an eine finanzielle Mitbeteiligung der Patienten vorgesehen (cost-sharing). Die finanzielle Mitbeteiligung soll nach Projektabschluss die Basis für eine selbständige Gesunderhaltung und somit für das gesicherte Überleben der Patienten bilden. Eine zentrale Voraussetzung hierfür ist, dass langfristig kostengünstiges, effizientes und sicheres Insulin erhältlich bleibt, und auch die oralen Antidiabetika, die grundsätzlich natürlich günstiger sind, verfügbar bleiben.
Die Projektdauer wurde auf fünf Jahre geplant. Ursprünglich war geschätzt worden, dass 150 insulinbedürftige Zuckerkranke und 600 Typ 2 Diabetes-Betroffene von dem Projekt erreicht werden könnten. Tatsächlich sind jetzt im dritten Jahr 667 Insulinbedürftige und 1401 Typ 2 Zuckerkranke in dem Programm. Die finanzielle Mitbeteiligung der Patienten wurde auf 20% im ersten Jahr, ansteigend auf 80% im fünften Jahr, festgelegt.
Zur Gewährleistung eines gut funktionierenden Verteilungssystems müssen die Ziele zur Erhaltung der Gesundheit, Ökonomie und Entwicklung festgelegt werden. Erhebliche Ersparnisse wurden durch ein effizientes Versorgungs-Management erreicht. Dies hat zu einem besseren Einsatz der Ressourcen geführt. Das Fernziel ist eine dauerhafte Medikamentenversorgung in Dar es Salaam, mit einem zentralen Medikamenteneinkauf und mit einer zunehmenden Selbstbeteiligung der Diabetiker im Rahmen des cost-sharing in den Gesundheitszentren der Distrikte. Die Medikamentenversorgung (Insulin, Tabletten) sollte auf Regelmässigkeit, Erhaltung und Unabhängigkeit von Sponsoren geplant werden.
Unglücklicherweise waren beim Aufbau der dezentralisierten Diabetes-Betreuungsprojekte zu Beginn keine Pharmazeuten beteiligt. Erst Ende 1997 wurde formell beschlossen, die Apotheker in das Projekt aufzunehmen, um die spezifischen Aufgaben in Bezug auf Bedarfsabklärung, Beschaffung, Aufbewahrung und Verteilung von Insulin und oralen Antidiabetika zu lösen. Auch zu den Aufgaben der Apotheker gehört die Dokumentation und das Kontrolllieren der cost-sharing Einnahmen in eigener Verantwortung.
Es war notwendig, von dem vorangegangenen System einer zentralisiert organisierten Verwaltung mit Unterstützung von Sponsoren wegzukommen. Der Import von Insulin musste wegen mangelnder oder fehlender finanzieller Selbsthilfe weiterhin zentral erfolgen, um möglichst günstige Weltmarktpreise zu erzielen. Dies wurde gewährleistet durch die zentrale Einkaufsorganisation für Pharmaprodukte des Medical Stores Department (MSD). Die Verantwortung für die Beschaffung von Insulin und Antidiabetika liegt bei den Pharmazeuten der Distrikte und erfolgt mit deren Expertise.
Eine neue Organisationsstruktur für ein Verteilungssystem, welches Verantwortung, ständig aktualisierte Information, Koordination und Verantwortlichkeit beinhaltet, wurde erstellt. Die Verantwortung aller dafür notwendigen Entschlüsse und Verpflichtungen wird von den lokalen Distrikt-Spitalapothekern übernommen. Das Verteilungssystem wurde dezentralisiert und den betreffenden Distrikten übergeben, damit die Verteilung in die allgemeinen Medikamenten- und Verteilungsorganisation ihrer Spitäler integriert werden kann. Jedes Spital verfügt über einen funktionierenden Kühlschrank. Die Spital-Apotheker sind für eine sachgerechte Lagerung der Medikamente verantwortlich. Monatlich wird ein Bericht verfasst und dem Koordinator der Bestellzentrale unterbreitet. Die Apotheker fühlen sich der neuen Herausforderung, im Rahmen der Diabetesbehandlung das Beschaffungssystem zu verbessern, verpflichtet.
Gegenwärtig werden die Medikamente und deren Nachschub von der Stiftung Ernährung und Diabetes Bern sowie den Einnahmen aus dem Medikamentenverkauf an die Patienten gespiesen. Heute (1998) beteiligen sich die Patienten zur Hälfte am Preis für Insulin und mit einer Pauschalgebühr für orale Antidiabetika
Von 1995 bis Ende 1997 hat die Stiftung für das Projekt 43'000 US$ (ca. 26 Mio TSh) für den Einkauf von Insulin aufgebracht. Cost-sharing Einnahmen in der gleichen Periode beliefen sich auf insgesamt 7 Mio. TSh in den drei Distrikten. Dies sind etwas mehr als 50 % der erwarteten Einnahmen, wenn man von einer finanzielle Mitbeteiligung der Patienten von 50% ausgeht. Leider liess die Buchführung in den Distrikten stark zu Wünschen übrig, und man muss davon ausgeben, dass die tatsächlichen Einnahmen wesentlich höher lagen. In der Folge wurde ein standardisiertes Buchhaltungssystem eingeführt, und dieses wird besser überwacht. Für mehr Transparenz sorgt, dass beim MSD die Einnahmen des cost-sharing sowie die Stiftungsbeiträge in diese Buchhaltung aufgenommen werden.
Die Einführung einer dezentralisierten Diabetesbehandlung in Dar es Salaam ist ein schwieriges Unterfangen gewesen. Seine Berechtigung liegt aber heute noch darin, dass es langfristig Hoffnung gibt für hunderte von Insulin abhängigen Patienten, welche sonst um ihr Überleben fürchten müssen. Das Modell wird von der Verfügbarkeit von sicherem, effizientem und kostengünstigem tierischen Insulin durch den offiziellen Distrikt-Apotheker abhängig sein. Die in diesem Projekt von Patienten geleisteten Beiträge von gegenwärtig 54% zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Es besteht Hoffnung, dass durch die enge Einbindung von Betroffenen, Gesundheitspersonal und externen Sponsoren eine nachhaltige Sicherstellung der Versorgung mit Antidiabetika bis in das Jahr 2000 erreicht werden wird kann. Alle Beteiligten sind sich bewusst, dass das "Diabetes Cost-sharing Project" nur eine Übergangslösung sein kann, welche im nationalen Gesundheitswesen von Tansania aufgehen muss, um die langfristige Versorgung der Zuckerkranken sicher zu stellen.
* Arthur Teuscher ist Präsident der Stiftung Ernährung und Diabetes in Bern. Karin Wiedenmayer ist Klinische Pharmazeutin und arbeitet am Schweizerischen Tropeninstitut.