Kurzansprache Dr. Guy Morin, Regierungspräsident des Kantons Basel-Stadt am 7. Symposium der schweizerischen Gesundheitszusammenarbeit

„Wer ein Recht auf Gesundheit hat, hat auch ein Recht auf Krankheit“

Von Guy Morin

Gesundheit ist ein Menschenrecht. Jeder Mensch hat ein Recht darauf, unabhängig von seiner sozialen und kulturellen Herkunft. Krankheit ist ein Menschenrecht. Jeder Mensch hat ein Recht darauf, unabhängig von seiner sozialen und kulturellen Herkunft.

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Verehrte Vertreterinnen und Vertreter der Entwicklungszusammenarbeit,
der Hilfsorganisationen,
der Forschungsinstitute,
Meine Damen und Herren,

Vor 30 Jahren, 1978, fand die Alma Ata Konferenz statt. Vor 30 Jahren, 1978, hatte ich mein Medizinstudium begonnen. Das Postulat von Alma Ata, dass jeder Mensch ein Recht auf Gesundheit hat, habe ich mir während meiner Zeit als Hausarzt und als ehemaliger Präsi-dent der HMO-Hausärztevereinigung sehr zu Herzen genommen. Ihm bin ich nach bestem Wissen und Gewissen gefolgt.

Im Dienste dieses Postulats stehen auch Sie, meine Damen und Herren. Dieses Postulat gilt aber nicht nur in Entwicklungsländern oder Drittstaaten. Dieses Postulat gilt es auch in der Gesundheitspolitik der Schweiz zu respektieren.

Sie alle setzen sich in ihrer täglichen Arbeit für die Postulate von Alma Ata ein. Was Sie antreibt ist die Überzeugung: Das Recht auf Gesundheit soll kein leeres Versprechen bleiben. Gesundheitsprogramme sollen alle Menschen in guter Qualität und bedürfnisgerecht erreichen. Dass Sie Ihre Erfahrungen untereinander austauschen und die Debatte über verschiedene Ansätze führen, ist unerlässlich. Nur so kann die gute Qualität der schweizerischen Gesundheitszusammenarbeit erhalten und verbessert werden. Im Namen des Basler Regierungsrates danke ich Ihnen an dieser Stelle dafür, dass Sie sich dem Recht auf Gesundheit verschrieben haben.

Wie steht es aber mit dem Recht auf Krankheit? In der Schweiz ist der Zugang zur Gesundheitsversorgung verglichen mit Entwicklungsländern und Drittstaaten, deren Situation besonders Ihnen vertraut sind, mehr als fortschrittlich. Das Recht auf Krankheit wird in unseren Breitengraden jedoch immer wichtiger. Weshalb? Lassen Sie mich diesen Gedanken kurz ausführen:
Wir leben in einer Zeit, in der die Menschen immer älter werden. Auf der einen Seite haben findige Menschen diese Generation als Kaufkraft für sich entdeckt: Wellnessprogramme für ältere Menschen, Zeitschriften für Menschen ab sechzig, neuerdings auch ein Radio für Alte. Der Markt boomt.

Auf der anderen Seite jedoch werden Betagte entsozialisiert, diskriminiert und ausgegrenzt. Sie „fressen“ die AHV auf und treiben die Krankenkassenprämien in die Höhe. So lauten gerantophobische Äusserungen, die immer stärker um sich greifen.

Unsere Gesellschaft wird älter. Das stellt grosse Anforderungen an die Public Health Services. Das Recht auf Gesundheit allein hilft uns da nicht weiter. Das Recht auf Gesundheit hat Grenzen. Da zum Beispiel, wo die Gesundheitsprävention diskriminierend wird: Da, wo IV-Bezüger, Übergewichtige, Raucher, Drogensüchtige stigmatisiert werden; da, wo psychisch Kranke nicht ernst genommen oder Migranten nicht angehört werden.

Ich behaupte: Wer ein Recht auf Gesundheit hat, hat auch ein Recht auf Krankheit.

Meine Damen und Herren, Sie haben es heute gehört: Die Basisgesundheitsversorgung, wie sie vor 30 Jahren in Alma Ata postuliert wurde, hatte es lange Zeit schwer, sich durchzusetzen. Es ist ein ermutigendes Zeichen, dass die WHO in ihrem eben publizierten Weltgesundheitsbericht die Zukunftsfähigkeit von Primary Health Care unterstreicht. Primary Health Care steht wieder auf der Agenda der internationalen Politik. Der WHO Bericht heisst „Primare Health Care: Now – more than ever“.

Mehr denn je! Die Gesundheitsversorgung muss für alle sichergestellt werden. Primary Health Care ist auch ein Kampf gegen die Armut. Dies sind wichtige Voraussetzungen, um die UNO-Millenniumsziele zu erreichen.

In Basel sind zahlreiche Organisationen Zuhause, die in der internationalen Gesundheitszusammenarbeit tätig sind: IAMANEH, die Novartis Foundation for Sustainable Development, das Schweizerische Tropeninstitut oder auch kleinere wie der Basler Förderverein für Medizinische Zusammenarbeit oder das von Studentinnen und Studenten getragene Calcutta Projekt.

All diese Organisationen sind in Basel beheimatet und sind Mitglied bei Medicus Mundi Schweiz, der Netzwerkorganisation, die ebenfalls den Sitz hier in Basel hat. Viele Vertreterinnen und Vertreter dieser Organisationen sind heute hier. Sie setzen sich für das Recht auf Gesundheit ein. Wer sich dafür einsetzt, wirft immer auch die Frage nach dem Recht auf Krankheit auf. Ich bin überzeugt: Vom Engagement dieser Organisationen, die sich für die internationale Gesundheitszusammenarbeit einsetzen, können wir auch dahingehend viel lernen.

Besten Dank.