Von Nadya Wells
Flemings revolutionäre Entdeckung des Penicillins im Jahr 1928 führte zur Blütezeit der modernen Medizin. Bis in die 1980er-Jahre entstanden neue Antibiotikaklassen. Fleming warnte aber davor, dass der Einsatz von Antibiotika unweigerlich zur Entwicklung von Resistenzen bei Bakterien führen wird. Heute sind einige Bakterien gegen den Grossteil des bestehenden Antibiotika-Arsenals resistent, eine Krise, die die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu den zehn grössten Bedrohungen für die öffentliche Gesundheit zählt, denen die Menschheit ausgesetzt ist. Eine Lancet-Studie ergab, dass 1,27 Millionen Todesfälle im Jahr 2019 auf antimikrobielle Resistenzen (AMR) zurückzuführen sind und 4,95 Millionen Todesfälle mit AMR zusammenhängen (Murray CJ. et al., 2022). Die Eindämmung erfordert eine internationale sektorübergreifende Zusammenarbeit – eine schwierige Aufgabe für die Global Health Governance.
Im Juni 2023 veröffentlichte die WHO eine globale Forschungsagenda (WHO, 2023) mit vierzig Prioritäten in elf Bereichen und fünf Themenkomplexen. Im Wesentlichen handelt es sich um eine Handlungsanleitung, die Anregungen zu konkreten Forschungsprojekten geben soll, die von Gebern finanziert und in verschiedenen wirtschaftlichen Kontexten umgesetzt werden können und sich auf die für die WHO vorrangigen Krankheitserreger konzentrieren. Sie soll politischen Entscheidungsträger:innen, Forscher:innen, Geldgeber:innen, Umsetzer:innen der Industrie und der Zivilgesellschaft eine Orientierungshilfe bei der Gewinnung von Erkenntnissen für gemeinsame Anstrengungen zur Eindämmung von AMR beim Menschen bieten. Auf der Grundlage der Analyse von 3000 veröffentlichten Dokumenten aus einem Jahrzehnt haben die Expert:innen 2000 Wissenslücken priorisiert und 40 kritische Forschungsthemen ausgearbeitet. Damit soll der Befürchtung entgegengewirkt werden, die Vielzahl möglicher Ansatzpunkte ohne Prioritätensetzung könnte die Massnahmen lähmen (Wellcome, 2020).
Wird es also funktionieren? Die Vergangenheit hat gezeigt, dass die erste grosse Herausforderung die Finanzierung sein wird. Im Jahr 2015 veröffentlichte die WHO einen «One Health»-Rahmen zur Bekämpfung von AMR, der die Bereiche Human- und Veterinärmedizin sowie Landwirtschaft und Umwelt erstmals zusammenführt und zu dem sich die G7, die G20 und andere Länder verpflichtet haben. Im September 2023 erstellte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ein Strategiepapier mit dem Titel «Embracing a One Health Framework to Fight Antimicrobial Resistance» (OECD, 2023). Darin wird festgestellt, dass die nationalen AMR-Programme nicht finanziert sind und nur ein Bruchteil der Länder finanzielle Mittel für die Umsetzung der Pläne gesprochen hat. Die politischen Entscheidungsträger:innen davon zu überzeugen, Mittel für die Bekämpfung einer langsam voranschreitenden, unsichtbaren Bedrohung bereitzustellen, ist bekanntermassen eine grosse Herausforderung, und die Parallelen zum Klimawandel sind offensichtlich.
Dies ist ein wesentliches Hindernis, das es zu überwinden gilt, denn es bedarf langfristiger Finanzierungsstrukturen, die unabhängig von kurzfristigen innenpolitischen Erwägungen verwaltet werden. Um Entscheidungsträger:innen zu überzeugen, hat die OECD eine Evidenzbasis erstellt, die auf die makroökonomischen Kosten der Untätigkeit und die Auswirkungen auf die Arbeitskräfte hinweist. Sie zeigt, dass die Massnahmenpakete für Krankenhäuser und Gemeinden finanzierbar und selbsttragend sind. Sieben der elf modellierten Massnahmen kosten weniger als 1 $ pro Kopf und Jahr, wobei sich die Investitionen 2,3- bis 24,6-mal rentieren. Die Schweiz könnte grosse Einsparungen bei den Gesundheitskosten und eine verbesserte Produktivität erzielen.
Im Strategiepapier der OECD wird festgestellt, dass die nationalen AMR-Programme nicht finanziert sind und nur ein Bruchteil der Länder finanzielle Mittel für die Umsetzung der Pläne gesprochen hat.
OECD (2023): Ein One-Health-Rahmen zur Bekämpfung der antimikrobiellen Resistenz
Vor allem in einkommensstarken Ländern müssen die Regierungen jetzt die fehlenden "Zutaten" liefern. Die Schweiz hat dabei einiges zu bieten. Als frühe Anwenderin von «One Health»-Konzepten im Inland kann sie ihr Fachwissen im Rahmen von Partnerschaften mit Ländern teilen, die mit der Umsetzung erst beginnen. Im Bereich der Infektionsprävention und -kontrolle sowie der Handhygiene verfügt die Schweiz über ein weltweit führendes technisches Know-how und ein WHO-Kollaborationszentrum am Universitätsklinikum Genf sowie über nationale Überwachungserfahrung bei ANRESIS und Swissnoso.
In Basel gibt es ein ausgebautes Ökosystem aus Hochschulen, Start-ups, politischen Entscheidungsträger:innen und Innovationsagenturen, die auf die WHO-Agenda abgestimmte multidisziplinäre Forschungsprogramme durchführen. Schweizer Biopharmaunternehmen forschen weiter an der Behandlung und Diagnostik und haben sich in Basel mit dem "AMR Action Fund", einer öffentlich-privaten Partnerschaft im Wert von 1 Milliarde Dollar zur Förderung der Entwicklung neuer Antibiotika, zusammengeschlossen.
Die Schweiz hat dabei einiges zu bieten. Als frühe Anwenderin von «One Health»-Konzepten im Inland kann sie ihr Fachwissen im Rahmen von Partnerschaften mit Ländern teilen, die mit der Umsetzung erst beginnen.
Die zweite grosse Herausforderung ist jedoch die fehlende Sichtbarkeit. Warum wird diese grosse globale Gesundheitsbedrohung, die Menschenleben und die Weltwirtschaft gefährdet, oft als «stille Pandemie» bezeichnet (Rayan RA, 2023)? Abgesehen davon, dass wir nicht genug Mittel zur Verfügung stellen, sind weder die politischen Entscheidungsträger:innen noch die Öffentlichkeit von der Dringlichkeit des Handelns überzeugt. Die AMR-Pandemie unterscheidet sich von Covid-19, wo weltweit im Alltag Masken und Präventionsplakate auf den Strassen zu sehen waren. Der breiten Öffentlichkeit bleiben die menschlichen Folgen von AMR verborgen. Sie sterben nicht an einer bestimmten Krankheit, sondern wenn die Behandlung versagt. Mangels geeigneter Diagnostik gibt es unzählige resistente Infektionen. Die Bezeichnung als «stille» Pandemie liefert fast den Vorwand, unbemerkt zu bleiben.
Abgesehen davon, dass wir nicht genug Mittel zur Verfügung stellen, sind weder die politischen Entscheidungsträger:innen noch die Öffentlichkeit von der Dringlichkeit des Handelns überzeugt.
Sowohl die WHO als auch die OECD verweisen mit ihren Massnahmenpaketen auf die Notwendigkeit einer besseren öffentlichen Kommunikation. Um die Aufmerksamkeit zu wecken, die Sichtbarkeit zu erhöhen und Finanzmittel freizusetzen, muss die Öffentlichkeit vielleicht wieder lautstark auf die Töpfe schlagen, und zwar weltweit, wie es während der Covid-19-Pandemie geschehen ist, diesmal zur Unterstützung des Gesundheitspersonals an der AMR-Front. Die neue Forschungsagenda ist ein «Aufruf zum Handeln» mit massgeschneiderten Empfehlungen, die die höhere Belastung und die unterschiedlichen Bedürfnisse der AMR-Bekämpfung in ressourcenarmen Gesundheitssystemen berücksichtigen. In den letzten drei Monaten haben die WHO das Rezeptbuch und die OECD die Kosten-Nutzen-Analyse geliefert. Im Idealfall lassen sich die Kosteneinsparungen im Gesundheitswesen und die Produktivitätsvorteile zur Finanzierung der Forschungsagenda nutzen. Finanzierung und Sichtbarkeit sind die entscheidenden Faktoren, damit die Massnahmen diesmal greifen.
Um die Aufmerksamkeit zu wecken, die Sichtbarkeit zu erhöhen und Finanzmittel freizusetzen, muss die Öffentlichkeit vielleicht wieder lautstark auf die Töpfe schlagen, und zwar weltweit, wie es während der Covid-19-Pandemie geschehen ist, diesmal zur Unterstützung des Gesundheitspersonals an der AMR-Front.
Das Global Health Centre (GHC) ist eines der Forschungszentren des Geneva Graduate Institute, das sich mit globaler Gesundheitspolitik befasst.