Von Chantal Baumgarten
Zum ersten Mal seit der Ratifizierung der UNO-Behindertenrechtskonvention wurde die Schweiz zum Stand der Umsetzung im eigenen Land sowie in der internationalen Zusammenarbeit überprüft. Der UNO-Ausschuss hält fest, dass die Inklusion von Menschen mit Behinderungen nicht umfassend umgesetzt wird, und hat mehrere Empfehlungen an die Schweizer Regierung ausgesprochen. Diese Empfehlungen müssen nun umgesetzt werden und bis 2028 muss die Schweiz erneut Bericht erstatten. Die Christoffel Blindenmission Schweiz (CBM) hat den Prozess gemeinsam mit dem Swiss Disability and Development Consortium (SDDC) aufmerksam mitverfolgt.
Regierungen werden regelmässig überprüft, inwiefern sie die verschiedenen Übereinkommen zu den Menschenrechten, die sie unterzeichnet haben, einhalten und umsetzen. Im März 2022 war die Schweiz an der Reihe und wurde von den 18 internationalen Expertinnen und Experten des UNO-Ausschusses über die Rechte von Menschen mit Behinderungen überprüft.
Während drei Vormittagen prüften die Mitglieder des Komitees die Umsetzung der Konvention durch die Schweiz sowohl im Inland als auch auf internationaler Ebene. Die Schweizer Delegation schien mit ihren Antworten gut - vielleicht sogar zu gut vorbereitet.
Die Überprüfung fand in einem hybriden Format statt, wobei ein großer Teil der Delegation virtuell teilnahm. Nach einigen nicht zu enden scheinenden technischen Problemen auf Seiten der Schweizer Delegation am ersten Tag verlief die Überprüfung planmässig. Der Ausschuss stellte der Schweizer Regierung zahlreiche Fragen zur Umsetzung des Übereinkommens im Rahmen ihrer internationalen Zusammenarbeit und gab daraufhin der Schweiz mehrere zentrale Empfehlungen ab.
Wir haben festgestellt, dass die Antworten der Schweiz zwar prägnant, aber eher allgemein gehalten waren und nicht auf die vom Ausschuss gefragten, spezifischen Aspekte eingingen.
Ein Ausschussmitglied fragte zum Beispiel: «Wie stellt die Schweiz einen kohärenten und umfassenden Ansatz zur Inklusion von Menschen mit Behinderungen in der internationalen Zusammenarbeit sicher und wie wird dafür gesorgt, dass Menschen mit Behinderungen nicht ausgrenzt werden?"
Ein anderes Mitglied fragte: "Wie wurden Frauen und Mädchen mit Behinderungen in die internationale Zusammenarbeit und in Gleichstellungsfragen einbezogen?"
Wir haben den Prozess genau verfolgt und uns direkt in Genf engagiert. Wir haben festgestellt, dass die Antworten der Schweiz zwar prägnant, aber eher allgemein gehalten waren und nicht auf die vom Ausschuss gefragten, spezifischen Aspekte eingingen.
"Die Schweiz verfügt über eine reiche, schöne Natur und einen Reichtum an Ressourcen. Der 3. Platz auf dem Entwicklungsindex der Vereinten Nationen ist eine Anerkennung dieses Reichtums. Im Mittelpunkt unseres Dialogs steht die Frage, ob Menschen mit Behinderungen in der Schweiz an diesem hohen Entwicklungsstandard teilhaben und alle Menschenrechte und fundamentalen Freiheiten gleichberechtigt mit anderen geniessen."
In der internationalen Arbeit der Schweiz gibt es keinen einheitlichen Ansatz zum Thema Behinderung.
In seinen Empfehlungen für die Schweiz - auch bekannt als "Abschliessende Bemerkungen" - schlägt der Ausschuss Massnahmen in den folgenden Bereichen vor, wobei er ausdrücklich auf die Umsetzung im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit und der humanitären Hilfe der Schweiz hinweist:
Die Empfehlungen spiegeln die vorhandenen Lücken auf dem Weg zu einer für Menschen mit Behinderungen inklusiven Schweizer Entwicklungszusammenarbeit wider und bekräftigen die Forderungen, die das SDDC in der Vergangenheit immer wieder gestellt hatte. Sie zeigen, dass die Schweiz noch einige grundlegende Schritte unternehmen muss, insbesondere die Verabschiedung von Richtlinien, um sicherzustellen, dass alle Programme innerhalb der internationalen Entwicklungszusammenarbeit und der humanitären Hilfe für Menschen mit Behinderungen inklusiv sind.
Die Empfehlungen spiegeln die vorhandenen Lücken auf dem Weg zu einer für Menschen mit Behinderungen inklusiven Schweizer Entwicklungszusammenarbeit wider und bekräftigen die Forderungen, die das SDDC in der Vergangenheit immer wieder gestellt hatte.
In der internationalen Arbeit der Schweiz gibt es keinen einheitlichen Ansatz zum Thema Behinderung. Es gibt zwar vereinzelte Projekte zur Inklusion von Menschen mit Behinderungen, aber keinen umfassenden Ansatz, der sicherstellt, dass alle internationalen Programme für Menschen mit Behinderungen inklusiv sind. Ein solcher kohärenter Ansatz würde auch dazu beitragen, dass die Schweiz keine Entwicklungsprojekte finanziert, die die Segregation von Menschen mit Behinderungen fördern. Derzeit gibt es keinen Mechanismus, der sicherstellt, dass dies nicht passiert.
Der Ausschuss bekräftigte dies in seinen "Abschliessenden Bemerkungen" und forderte die Schweizer Regierung auf, Richtlinien zu verabschieden, die sicherstellen, dass alle Programme der internationalen Zusammenarbeit für Menschen mit Behinderungen inklusiv und mit der Konvention in Einklang sind und nicht zur Segregation von Menschen mit Behinderungen führen.
Der Ausschuss empfahl auch, die Rechte von Frauen und Mädchen mit Behinderungen in alle Initiativen der internationalen Zusammenarbeit und der humanitären Hilfe zur Förderung der Geschlechtergleichstellung einzubeziehen.
Der Ausschuss empfahl auch, die Rechte von Frauen und Mädchen mit Behinderungen in alle Initiativen der internationalen Zusammenarbeit und der humanitären Hilfe zur Förderung der Geschlechtergleichstellung einzubeziehen. Als Teil des Swiss Disability and Development Consortiums haben wir das Bewusstsein für die Notwendigkeit, Frauen mit Behinderungen bei der Konzeption und Umsetzung von Entwicklungsprogrammen einzubeziehen, geschärft. Eine Photovoice-Ausstellung mit dem Titel "My Lens My Reality" und eine dazugehörige Studie, die bei der Universität Bern in Auftrag gegeben wurde, wurden bei den Vereinten Nationen in Genf anlässlich der UNO-BRK-Überprüfung am Internationalen Frauentag lanciert. In der Studie und der Ausstellung werden anhand von Fotos, die aufzeigen, was ihre Inklusion fördert oder hemmt, zehn Frauen mit Behinderungen aus Nepal vorgestellt.
«Wir fordern die Akteure der internationalen Entwicklungszusammenarbeit nachdrücklich auf, Frauen mit Behinderungen bei der Konzeption und Umsetzung von Strategien und Programmen regelmässig zu konsultieren. Denn wir, Frauen mit Behinderungen, sind die Expertinnen für die Fragen, die unser Leben betreffen.»
Die Schweiz muss einen so genannten "zweigleisigen Ansatz" verfolgen und sicherstellen, dass die internationale Zusammenarbeit der Schweiz alle Menschen, auch Frauen und Mädchen mit Behinderungen, erreicht, indem sie deren Anliegen berücksichtigt und sie gezielt angeht.
Die Schweizer Regierung muss diese Empfehlungen nun umsetzen und bei der nächsten Überprüfung im Jahr 2028 über die Fortschritte berichten. Dies ist besonders wichtig angesichts der aktuellen internen Reorganisation der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA), bei der die Inklusion von Menschen mit Behinderungen zu einer Kernaufgabe werden muss. Wir werden diesen Prozess weiterhin aufmerksam verfolgen und bei Bedarf Unterstützung für die Verwirklichung einer vollständig inklusiven Schweizer Entwicklungszusammenarbeit leisten.