Die Zerstörung unserer Biosphäre und das Recht auf Gesundheit
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Verstummte Frühlingslandschaften...

Die Folgen des schnellen, massiven Rückgangs der Artenvielfalt und der Ökosysteme unter menschlichem Druck sind bekannt. Durch Entwaldung verengt sich der Raum für Wildtiere und der Kontakt zwischen diesen und den Menschen sowie deren Nutztieren nimmt zu. Das begünstigt das Aufkommen von Zoonosen (wie Ebola oder SARS). Der Niedergang der Biodiversität hat aber auch unmittelbarere Folgen. So wirken sich die Erschöpfung der Fischbestände durch Überfischung und das Verschwinden von bestäubenden Insekten, das insbesondere mit dem Einsatz synthetischer Pestizide zusammenhängt, direkt auf die Ernährung und das Überleben grosser Menschengruppen aus. Besonders betroffen sind die ärmsten, marginalsten Bevölkerungsteile in den Niedrigeinkommensländern.


Schneelose Winter …

Die Folgen des Klimawandels sind immer mehr spürbar und stellen die Erfolge der letzten Jahre im Gesundheitsbereich infrage. Durch Abnahme der Trinkwasservorkommen tauchen wieder vermehrt Krankheiten auf, die auf verunreinigtes Wasser zurückgehen; durch Produktionseinbussen in der Subsistenzlandwirtschaft nimmt Mangelernährung zu; die Verlängerung der Saison und die Ausweitung des Übertragungsgebiets von vektorübertragenen Krankheiten (Malaria, Dengue …) führen zu einem sprunghaften Anstieg dieser Pathologien; ganz zu schweigen von Todesfällen, die durch Hitzeperioden oder Wetterextreme verursacht werden. Die WHO erwartet für die Zeit zwischen 2030 und 2050 bis zu 250 000 zusätzliche klimawandelbedingte Todesfälle. Länder mit geringen Einkommen, die keine gute Gesundheitsinfrastruktur aufweisen, werden am wenigsten in der Lage sein, sich auf diese Situation vorzubereiten und sie ohne Hilfe zu bewältigen.

Die Gesundheitssysteme müssen an die erwartbaren Veränderungen (Zunahme nicht übertragbarer Krankheiten, Unterernährung, Ausbreitung vektorübertragener Krankheiten, Risiko des Auftretens neuer Krankheiten) angepasst werden.
Quelle: Global Alliance on Health and Pollution<br>
Quelle: Global Alliance on Health and Pollution


Nicht nur den Städtern geht der Atem aus...

Der Bericht einer Lancet-Kommission (Lancet, 2017) weist nach, dass jährlich über neun Millionen Menschen weltweit an Krankheiten sterben, die auf Umweltverschmutzung zurückgehen. Das sind dreimal mehr Todesfälle als jene, die durch HIV, Malaria und Tuberkulose verursacht werden.

Nahezu 92 % der durch Umweltverschmutzung bedingten Todesfälle treten in Ländern mit niedrigem oder mittlerem Einkommen auf. Die Gesundheitssysteme dieser Länder sind nicht darauf ausgerichtet, nicht-übertragbare Krankheiten, die auf Umweltverschmutzung zurückgehen, adäquat zu behandeln.

Kinder sind am stärksten betroffen, da schon eine geringfügige Exposition mit chemischen Produkten während der Schwangerschaft oder der frühen Kindheit Krankheiten, Behinderungen und den frühzeitigen Tod verursachen kann. Eine aktuelle Studie von UNICEF und Pure Earth (UNICEF, 2020) hat herausgefunden, dass rund ein Drittel aller Kinder weltweit Bleivergiftungen aufweisen. 2019 gingen mindestens 900 000 frühzeitige Sterbefälle auf das Konto von Bleivergiftungen – ungefähr gleich viele, wie auf HIV/Aids zurückzuführen sind. Über 90 % dieser Todesfälle sind in Ländern mit niedrigem oder mittlerem Einkommen zu verzeichnen.

​NGOs der internationalen Gesundheitszusammenarbeit und ihre Partner müssen sich für die Folgen des Klimawandels, der Umweltzerstörung und des Rückgangs der Biodiversität rüsten.
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Gesundheit als Ansatzpunkt für einen Wandel

Wir alle sind sensibilisiert auf Fragen der Gesundheit – unserer eigenen, der von Angehörigen und unseren Kindern. Gesundheit ist damit ein wichtiger Anknüpfungspunkt, um die gesellschaftlichen Veränderungen herbeizuführen, die für den Erhalt unserer Biosphäre wie für Klima- wie Umweltgerechtigkeit unerlässlich sind.

Der Gesundheitssektor beschäftigt eine grosse Anzahl an Personen, die mit wissenschaftlichen Methoden vertraut sind. Die Gesundheitsfachkräfte sind es gewohnt, Patient:innen komplexe kausale Zusammenhänge verständlich zu erklären. Zudem geniessen sie in der Bevölkerung einen eher guten Ruf. Deshalb tragen sie besondere Verantwortung dafür, das Bewusstsein zu schärfen für die Bedeutung des Zustands der Erde für die menschliche Gesundheit und die Schritte, die uns gemeinsam erlauben, angemessen auf die ökologischen Herausforderungen zu reagieren.

2019 gingen mindestens 900 000 frühzeitige Sterbefälle auf das Konto von Bleivergiftungen – ungefähr gleich viele, wie auf HIV/Aids zurückzuführen sind. Über 90 % dieser Todesfälle sind in Ländern mit niedrigem oder mittlerem Einkommen zu verzeichnen.

NGOs der internationalen Gesundheitszusammenarbeit und ihre Partner müssen sich für die Folgen des Klimawandels, der Umweltzerstörung und des Rückgangs der Biodiversität rüsten. Dafür müssen die Gesundheitssysteme an die erwartbaren Veränderungen (Zunahme nicht übertragbarer Krankheiten, Unterernährung, Ausbreitung vektorübertragener Krankheiten, Risiko des Auftretens neuer Krankheiten) angepasst werden.

NGOs und ihre Partner:innen müssen die Öffentlichkeit und die politischen Entscheidungsträger:innen über die Folgen der Umweltzerstörung für das Recht auf Gesundheit hinweisen.

Gesundheit muss in allen Finanzierungsprogrammen zur Bekämpfung des Klimawandels, des Rückgangs der Biodiversität und der Umweltverschmutzung einen bedeutenden Stellenwert erlangen. Denn was gut für die Biosphäre ist, ist auch gut für die Gesundheit und umgekehrt.

Gesundheit muss in allen Finanzierungsprogrammen zur Bekämpfung des Klimawandels, des Rückgangs der Biodiversität und der Umweltverschmutzung einen bedeutenden Stellenwert erlangen.

Referenzen
Jacques Mader
Jacques Mader, unabhängiger Fachexperte für internationale Gesundheit und Vorstandsmitglied des Netzwerkes Medicus Mundi Schweiz. Email.