Die Schweiz muss sich für den Schutz von Zivilist:innen in Konflikten einsetzen
Ein zerstörtes Gesundheitszentrum in Mossul. Foto: © Florent Vergnes / HI

Unverhältnismässige Massenbombardierungen und Trommelfeuer inmitten von Städten: Aleppo, Raqqa, Idlib, Mossul, Bergkarabach, Gaza und jüngst ukrainische Städte sind Symbole der völligen Missachtung des Lebens von Zivilpersonen geworden.


Die Auswirkungen von Bombardierungen auf städtischem Gebiet

Der Einsatz von Sprengwaffen mit grossflächiger Wirkung in Städten führt zu langfristigen systematischen Schäden. Wie Recherchen zeigen, gibt es einen hohen Anteil an Zivilpersonen unter den Opfern. Wenn Explosivwaffen in Wohngebieten eingesetzt werden, sind 90 Prozent der Opfer Zivilist:innen (Action on Armed Violence - AOAV). Aufgrund ihrer grossen Explosionswirkung, der mangelnden Präzision und der Streuung zahlreicher Munition haben diese Waffen Auswirkungen auf grosse Gebiete.

Im Jahr 2020 waren über 50 Millionen Menschen weltweit von Konflikten betroffen (UNITED NATIONS Report 2021). Wer kann es da noch wagen, von Kollateralschäden zu sprechen? Heutige Kriege missachten tagtäglich die elementarsten Grundätze des Humanitären Völkerrechts (HVR), während die internationale Gemeinschaft hilflos zusieht.

Als direkte Zeugin dieser menschlichen Tragödien setzt sich Handicap International gemeinsam mit zahlreichen weiteren Menschenrechtsorganisationen seit über sechs Jahren für einen internationalen diplomatischen Prozess zur Ächtung des Einsatzes schwerer Explosivwaffen in bewohntem Gebiet ein.

Im Jahr 2020 waren über 50 Millionen Menschen weltweit von Konflikten betroffen. Wer kann es da noch wagen, von Kollateralschäden zu sprechen? Heutige Kriege missachten tagtäglich die elementarsten Grundätze des Humanitären Völkerrechts (HVR), während die internationale Gemeinschaft hilflos zusieht.
Ein Junge spielt in den Trümmern von Mossul. Foto: © Florent Vergnes / HI<br>
Ein Junge spielt in den Trümmern von Mossul. Foto: © Florent Vergnes / HI

Historisches Abkommen in Sicht

Von 6. bis 8. April 2022 findet die letzte Verhandlungsphase mit Vertreter:innen von Staaten, UN-Organen und internationalen zivilgesellschaftlichen Organisationen statt, um den Text eines internationalen Abkommens fertigzustellen, der den Staaten dann zur Unterzeichnung vorgelegt wird.

Nahezu 70 Länder, darunter die Schweiz, haben sich an den zwei Beratungsrunden unter Vorsitz Irlands beteiligt.

Die Schweiz muss sich stärker engagieren

Seit Juni 2020 fordern mehrere Parlamentsabgeordnete ein stärkeres Engagement der Schweiz. Alle sind eingeladen, sich dem Kampf von Handicap International ebenfalls anzuschliessen. 31 Parlamentarier:innen der Mitteparteien, der FDP, der SP, der SVP, der Grünen und der Grünliberalen haben reagiert und unterstützen die Organisation. Gemeinsam rufen sie die von Bundespräsident und Aussenminister Ignazio Cassis vertretene Regierung dazu auf, Zivilist:innen in Kriegsgebieten zu schützen und den Opfern Hilfe zu bieten, statt militärische Aktivitäten zu bevorzugen.

Die schreckliche Aktualität der letzten Wochen unterstreicht die Bedeutung konkreter, direkter Aktionen, die von der Schweiz auf der Ebene von Sanktionen umgesetzt werden können. Warum nicht einen Schritt weitergehen und ein starkes internationales Abkommen annehmen, das konkreten Einfluss auf den Schutz von Zivilpersonen hat?

Handicap International Schweiz appelliert an alle Bundesparlamentarier:innen, die noch nicht unterschrieben haben, diesen Kampf mitzutragen, um sicherzustellen, dass die Schweiz als Depositär der Genfer Konventionen eine Schlüsselrolle im Abschluss dieses Prozesses spielt, um Zivilist:innen in Kriegsgebieten schützen und den Opfern Hilfe leisten zu können.

FDP-Nationalrat Laurent Wehrli, ein Mitunterzeichner unserer Petition, hat sich Anfang März in einer Interpellation zu dieser Sache an den Bundesrat gerichtet. Die Antwort fiel wie zu erwarten nüchtern aus. Angesichts der aktuellen Kriegslage in der Ukraine ist dies besonders enttäuschend; im Wesentlichen wird einfach auf das bestehende HVR verwiesen. Selbst wenn Letzteres eingehalten wird, ist zu betonen, dass ein gezielter Angriff (der einem militärischen Ziel in bewohntem Gebiet gilt) mit einer Sprengwaffe mit grossflächiger Wirkung aufgrund der grossen Explosivkraft mit hoher Wahrscheinlichkeit auch unterschiedslos Auswirkungen auf Zivilpersonen und ihre Infrastrukturen hat. Daher ist es von grundlegender Bedeutung, dass die Schweiz eine starke Haltung einnimmt und diese politische Erklärung gegen den Einsatz von Explosivwaffen in bewohntem Gebiet unterstützt.

Als Bundesparlament handeln

Handicap International Schweiz appelliert an alle Bundesparlamentarier:innen, die noch nicht unterschrieben haben, diesen Kampf mitzutragen, um sicherzustellen, dass die Schweiz als Depositär der Genfer Konventionen eine Schlüsselrolle im Abschluss dieses Prozesses spielt, um Zivilist:innen in Kriegsgebieten schützen und den Opfern Hilfe leisten zu können. Die Parlamentarier:innen sind eingeladen, diese Erklärung zu unterstützen, indem sie ein E-Mail an e.sierro@hi.org senden. Die ganze Erklärung findet sich auf der Webiste von Handicap International.

Referencen
Daniel Suda-Lang
Daniel Suda-Lang, Geschäftsleiter von Handicap International Schweiz.