Von Dr. Jean Martin
Man muss die Dinge beim Namen nennen: Die Haltung der offiziellen Schweiz gegenüber der Tabakindustrie ist ein Skandal. Allen voran ist inakzeptabel, dass unser Land die WHO-Rahmenkonvention zur Eindämmung des Tabakgebrauchs noch nicht ratifiziert hat. In dieser Hinsicht sind wir das «rückständigste» Land, meint ein Beobachter gegenüber dem Westschweizer Radio La Première. Zwar beherbergt die Schweiz den Hauptsitz der WHO, weit weniger rühmlich ist sie aber auch ein Land, in dem Tabakmultis, die von hochrangigen Gesundheitsbehörden als «Händler von Krankheiten» bezeichnet werden, ihren Sitz haben.
Leider scheint sich das Parlament seit Langem zum Handlanger der Zigarettenindustrie und ihrer Lobbys gemacht zu haben. Im vergangenen Oktober hat es eine Gesetzesrevision angenommen, die jedoch eine Mogelpackung ist. Sie genehmigt weiterhin Werbung gegenüber Jugendlichen insbesondere im Internet. Wie wichtig die sozialen Netzwerke für das Leben und das Verhalten junger Menschen sind, ist bekannt. Ebenso ist erwiesen, dass Werbung eine starke Wirkung hat. Das Gesetz lässt Sponsoring und sogar die Verteilung von Werbeartikeln, beispielsweise an Festivals, weiterhin zu. Das ist unannehmbar.
Die Gegner der Initiative, die wie üblich über viel Geld verfügen, unterstellen uns karikaturesk, wir zielten auf ein Verbot von allerlei guten Sachen … Sie sind sich nicht zu blöde, zu behaupten, nach der Tabakwerbung solle der Konsum von Cervelat (für die Deutschschweiz; für die Westschweiz Saucisson) eingeschränkt werden. Eine dumme, perfide Argumentation! Man muss sich darüber im Klaren sein, dass eine solche extremen Aussagen in einem andren Bereich nicht weit von den freiheitlichen Haltungen entfernt sind, die eine Bewältigung der Covid-Pandemie erschweren.
Man muss die Dinge beim Namen nennen: Die Haltung der offiziellen Schweiz gegenüber der Tabakindustrie ist ein Skandal. Allen voran ist inakzeptabel, dass unser Land die WHO-Rahmenkonvention zur Eindämmung des Tabakgebrauchs noch nicht ratifiziert hat.
Eine Bemerkung zur Freiheit, nach Belieben zu schalten und zu walten, sei mir erlaubt: Warum sollte man an der Ampel bei Rot halten, ist das nicht ein schwerer Eingriff in meine Selbstbestimmung? Solche Regeln sind aber notwendig, da es um Rücksicht auf andere Menschen und ihre körperliche Unversehrtheit geht. Rauchen fordert in diesem Land jährlich zehntausend Tote und es ist unbestritten ein schwerwiegendes Problem der öffentlichen Gesundheit.
Die Gegner der Initiative sind sich nicht zu blöde, zu behaupten, nach der Tabakwerbung solle der Konsum von Cervelat (für die Deutschschweiz; für die Westschweiz Saucisson) eingeschränkt werden. Eine dumme, perfide Argumentation!
Vor allem aber gilt: Je früher man mit dem Rauchen beginnt, desto schwieriger ist es, aufzuhören und desto gravierender sind die körperlichen und psychosozialen Folgen (Korrelation mit Alkoholmissbrauch, Gewalt). Will man Kinder in ihrer gesundheitlichen Integrität schützen, muss man sie also vor Tabak bewahren. Hinter der Initiative «Kinder ohne Tabak» steht eine eindrückliche Liste an Gesundheitsorganisationen, angefangen bei Kinder- und Hausärzt:innen, Lungenspezialist:innen und der FMH (Swiss Medical Association). Dabei handelt es sich keineswegs um Doktrinäre, die uns jeden Genuss verbieten wollen. Vielmehr räumen sie den Gesundheitsinteressen Vorrang gegenüber den Profiten einer schädlichen Industrie ein.
Zusammenfassend in Kürze: Ein JA zur Initiative ist ein Gebot der öffentlichen Gesundheit und ein ethisches Gebot gegenüber unserer Jugend. Damit die Schweiz in Zukunft besser dasteht.
Ein Teil dieses Beitrages ist ursprünglich am 19.01.2022 in der Schweizerischen Ärztezeitschrift erschienen.