Von Dr. Eva Herzog
Da das Engagement der Regierungen für die globale Gesundheit weltweit unter verstärktem politischen und finanziellen Druck steht, gilt es sich auf die Stärken der Forschung, der partnerschaftlichen Zusammenarbeit verschiedenster Akteur:innen und der Gesundheitssystemstärkung zu besinnen. Die Schweiz wäre prädestiniert, sich hier international und strategisch zu positionieren, meint Ständeratspräsidentin Eva Herzog.
In den letzten Jahren erleben wir eine Krise nach der anderen. Die COVID-19-Pandemie, eskalierende Kriege in Afrika, Europa und dem Nahen Osten, die Klimakrise, um nur einige zu nennen. Die Bewältigung dieser vielfältigen Krisen ist eine echte Herausforderung, und unsere Institutionen werden auf die Probe gestellt. Dennoch möchte ich dieses Symposium mit einer gesunden Portion Optimismus beginnen.
Seit der Jahrtausendwende haben wir beispiellose Fortschritte im Bereich der globalen Gesundheit erlebt. Internationale Partnerschaften, multilaterale Zusammenarbeit, globale Finanzinvestitionen und wissenschaftliche Fortschritte haben es möglich gemacht, die Gesundheit der Menschen weltweit zu verbessern. Es lohnt sich auch, an eine wichtige Errungenschaft der Vereinten Nationen vor fast einem Jahrzehnt zu erinnern: Die Verabschiedung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung.
Die gute Nachricht ist, dass es möglich ist, einen positiven Wandel für die Menschheit herbeizuführen, wenn sich Regierungen und Zivilgesellschaft, Politik, Wirtschaft und Wissenschaft zusammenschliessen und gemeinsam handeln. Davon konnte ich mich in den letzten zwei Jahren selbst überzeugen, als ich die Gelegenheit hatte, Projekte der Gesundheitszusammenarbeit in Mosambik, der Elfenbeinküste und Tansania zu besuchen. Projekte, die tief im partnerschaftlichen Handeln verwurzelt sind und bei denen das Swiss TPH - unser heutiger Gastgeber - eine entscheidende Rolle spielt.
Als Vertreter:innen der Gesundheitswissenschaften, der Privatwirtschaft, der Politik und der Zivilgesellschaft sollten wir uns genau dieser Erfolge erinnern, wenn wir heute hier über die Verbesserung des Zugangs zu Diagnostika, Medikamenten und Impfstoffen diskutieren. Und wir sollten uns an die Schlüsselfaktoren erinnern, die hinter diesen Erfolgen stehen: Die strategische Vision, die Bereitschaft der verschiedenen Akteur:innen zur Zusammenarbeit, der Mut zu finanziellen Investitionen und die Beharrlichkeit, wissenschaftliche Innovationen für Menschen in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen (LMIC) zugänglich zu machen.
Die gute Nachricht ist, dass es möglich ist, einen positiven Wandel für die Menschheit herbeizuführen, wenn sich Regierungen und Zivilgesellschaft, Politik, Wirtschaft und Wissenschaft zusammenschliessen und gemeinsam handeln.
Wenn ich über die Rolle der Schweiz bei der Stärkung der globalen Gesundheit nachdenke, tue ich dies aus der Perspektive einer Politikerin mit starken Wurzeln in dieser Region, in der wir uns heute befinden. Basel ist ein Ort mit einer einzigartigen Dichte an Firmen und Institutionen in den Bereichen Biowissenschaften, Biotechnologie, Forschung und Innovation.
Ich teile meine Überlegungen auch zu Beginn eines wichtigen Jahres, in dem das Schweizer Parlament über den Finanzrahmen für die internationale Zusammenarbeit sowie für Bildung, Forschung und Innovation für den Zeitraum 2025 bis 2028 entscheiden wird. Es wird auch ein Jahr sein, in dem die Bereitschaft der Weltgemeinschaft zur engeren Zusammenarbeit auf die Probe gestellt wird.
Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, dass wir uns vor Augen führen, worüber wir uns sicher alle einig sind:
Die Schweiz ist prädestiniert, diese Verantwortung im Bereich der globalen Gesundheit zu übernehmen. Dank ihrer Gesundheitskompetenz und ihrer Wissenschaft, dank der pharmazeutischen Industrie, insbesondere hier in Basel, dank unserem Innovationssektor und der starken Zivilgesellschaft, aber auch dank den internationalen Organisationen mit Sitz in Genf. Im Zuge der COVID-19-Pandemie ist die Bedeutung dieses geballten nationalen Know-hows auch dem Bundesrat und dem Parlament klar geworden. Beide Kammern haben eine Motion verabschiedet, die der Gesundheit in der kommenden Strategie der internationalen Zusammenarbeit Priorität einräumt.
Die Vernehmlassungsvorlage des Bundesrates, die dem Parlament dieses
Jahr zusammen mit dem Finanzrahmen für die Jahre 2025-2028 vorgelegt
wird, zielt genau in diese Richtung.
Die Schweiz ist prädestiniert, diese Verantwortung im Bereich der globalen Gesundheit zu übernehmen. Dank ihrer Gesundheitskompetenz und ihrer Wissenschaft, dank der pharmazeutischen Industrie, insbesondere hier in Basel, dank unserem Innovationssektor und der starken Zivilgesellschaft, aber auch dank den internationalen Organisationen mit Sitz in Genf.
Ein solcher Finanzrahmen würde hervorragende Voraussetzungen für ein stärkeres Engagement der Schweiz im Bereich der globalen Gesundheit schaffen. Dem steht jedoch die Belastung des Bundeshaushalts mit dem politisch erzeugten Spardruck entgegen. Das für die Umsetzung der Botschaft in der Vernehmlassung vorgesehene Budget beläuft sich auf 11,45 Milliarden Schweizer Franken. Dies entspricht dem Betrag der laufenden Budgetperiode. Indem der Bundesrat jedoch vorschlägt, 1,5 Milliarden Franken für die Ukraine-Hilfe über dieses Budget abzuwickeln, nimmt er faktisch eine Umverteilung der Mittel zu Lasten des globalen Südens vor. Da der Bundesrat düstere Finanzszenarien für die Zukunft der Schweiz malt, sind weitere finanzielle Einschnitte möglich, insbesondere im Bereich der internationalen Zusammenarbeit. Auch wenn die Schweiz nach wie vor auf sehr soliden finanziellen Füssen steht, ist der gegenwärtige politische Druck real.
Wie Sie wissen, stehen andere Länder unter ähnlichem
Kostendruck. Angesichts der finanziellen Lücken nach den
COVID-19-Hilfsprogrammen und den verschiedenen globalen Krisen haben mehrere
Geberländer ihre finanziellen Mittel für die internationale Zusammenarbeit zum
Teil massiv gekürzt. Dieser schrumpfende fiskalische Spielraum ist auf
internationalen Konferenzen in aller Munde und könnte sich insbesondere auch
auf die globale Gesundheit negativ auswirken. Der Globale Fonds und Gavi sowie
die Weltgesundheitsorganisation begeben sich bald wieder auf der Suche nach
finanziellen Mitteln, doch leider sind die Aussichten nicht sehr rosig, dass
sie ihre derzeitigen finanziellen Mittel beibehalten, geschweige denn erhöhen
können.
Indem der Bundesrat jedoch vorschlägt, 1,5 Milliarden Franken für die Ukraine-Hilfe über dieses Budget abzuwickeln, nimmt er faktisch eine Umverteilung der Mittel zu Lasten des globalen Südens vor. Da der Bundesrat düstere Finanzszenarien für die Zukunft der Schweiz malt, sind weitere finanzielle Einschnitte möglich, insbesondere im Bereich der internationalen Zusammenarbeit.
Die Schweiz sollte ihre Rolle in den internationalen Gesundheitsorganisationen weiter stärken, indem sie kohärente, klare strategische Ziele verfolgt - und so eine grössere Wirksamkeit und Sichtbarkeit in der globalen Gesundheit erreicht. Sie kann dabei auf die Gesundheitsaussenpolitik des Bundesrates aufbauen, sollte aber die daraus abgeleiteten Ziele weiter schärfen.
Ich denke dabei insbesondere an folgende drei Hauptziele:
Eine strategisch positionierte globale Gesundheitspolitik der Schweiz sollte ambitionierter sein als bisher. Die Schweiz kann und sollte sich international als vorausschauender, kohärenter und vertrauenswürdiger Akteur im Bereich der globalen Gesundheit präsentieren und profilieren.
Eine strategisch positionierte globale Gesundheitspolitik der Schweiz sollte ambitionierter sein als bisher. Die Schweiz kann und sollte sich international als vorausschauender, kohärenter und vertrauenswürdiger Akteur im Bereich der globalen Gesundheit präsentieren und profilieren. Sie sollte sich dabei an grundlegenden Prinzipien wie den Menschenrechten und der Gleichstellung der Geschlechter orientieren. Der Zugang zur Gesundheitsversorgung kann nur ohne Diskriminierung erreicht werden.
Eine solche klar definierte strategische Rolle unseres Landes in der globalen Gesundheit würde nicht zuletzt der Schweiz selbst zugutekommen: Die Schweiz verfügt über eine starke Präsenz bei internationalen Organisationen (Genève-internationale), bei unserer Pharmaindustrie, bei Forschungs- und Innovationsinstituten und bei Nichtregierungsorganisationen, die sich für die globale Gesundheit einsetzen.
Dies wird auch dazu beitragen, die Gesundheit der Schweizer Bevölkerung zu schützen: Starke Gesundheitssysteme weltweit und eine funktionierende globale Gesundheitsarchitektur sind die besten Voraussetzungen, um zukünftige Pandemien und Gesundheitskrisen zu verhindern und zu bekämpfen. Wir dürfen uns aber nicht primär von unserem Eigeninteresse leiten lassen: Das Engagement der Schweiz muss letztlich von der Idee der Solidarität getragen sein.
Setzen wir uns deshalb gemeinsam
mit unseren Partner:innen in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen
dafür ein, den Zugang zur Gesundheitsversorgung weltweit zu verbessern.
Kohärenz, Kohärenz und noch mehr Kohärenz. Zwischen der Aussenpolitik der Regierung und ihrer Aussenhandels-, Entwicklungs- und Gesundheitspolitik gibt es immer noch zahlreiche strategische Widersprüchlichkeiten. Mit solchen werden wir immer ein Stück weit leben müssen - aber das Streben nach strategischer Kohärenz ist entscheidend.
Der Text für dieses med in CH basiert auf dem Eröffnungsreferat von Ständeratspräsidentin Eva Herzog, das sie am 8. Februar 2024 am Swiss TPH Symposium “Improving Access to Healthcare in LMICs” gehalten hat.