Von Sylvia Basterrechea
Der Gesundheitssektor ist für 5,2% der gesamten Treibhausgasemissionen verantwortlich und trägt damit zur Verschlechterung der Gesundheit der Menschen und des Planeten bei. Um diese Auswirkungen zu verringern, sind verschiedene Massnahmen möglich. Auf internationaler Ebene entstehen zahlreiche Initiativen, die uns ermutigen, zu überdenken, wie wir Mensch und Umwelt behandeln. Das Geneva Sustainability Centre, das 2022 von der Internationalen Föderation der Krankenhäuser und mit Unterstützung des Universitätskrankenhauses Genf gegründet wurde, hat die Aufgabe, Krankenhausleiter bei diesem Übergang zu einer nachhaltigen und widerstandsfähigen Gesundheitsversorgung zu unterstützen.
Bereits 2009 erkannten Expert:innen und Gesundheitsfachleute den Klimawandel als die grösste globale Gesundheitsgefahr des 21. Jahrhunderts an. Zwischen 2030 und 2050 sei mit über 250.000 zusätzlichen Todesfällen pro Jahr zu rechnen (The Lancet, 2009). Diese Zahl wurde inzwischen nach oben korrigiert. Verursacht werden diese Todesfälle insbesondere durch Luftverschmutzung, extreme Temperaturen und das Auftreten neuer Infektionskrankheiten.
Im Jahr 2022 wurde jedoch bekannt, dass die Treibhausgasemissionen des Gesundheitssektors stetig steigen und mittlerweile 5,2% der gesamten globalen Emissionen ausmachen (The Lancet Countdown, 2022). Das ist mehr als das Doppelte des Luftfahrtsektors. Wäre der Gesundheitssektor ein Land, wäre er der fünftgrösste CO2-Emittent weltweit. Nach den USA ist die Schweiz jenes Land, das die zweitgrösste Verantwortung trägt: 6,7% der gesamten CO2-Emissionen werden dem Gesundheitssektor zugeschrieben (Health Care's Climate Footprint, 2019).
Das Gesundheitswesen mit seiner lebenserhaltenden
Funktion, das aber gleichzeitig integraler Bestandteil des Problems ist, muss
eine Schlüsselrolle spielen, um seiner Hauptaufgabe, faire und qualitativ
hochwertige Leistungen zu gewährleisten, gerecht zu werden und gleichzeitig
eine gesunde Umwelt und gesunde Menschen zu erhalten.
Zum Glück bestehen trotz geringer Anerkennung, Kenntnis und mangelndem Bewusstsein zahlreiche Ansatzpunkte und Transformationsbereiche, und viele Gesundheitseinrichtungen weltweit gehen mit gutem Beispiel voran.
So erkannte man Chancen in organisationsspezifischen Abläufen wie klinischen Praktiken und Infrastrukturen, aber auch im Lieferkettenmanagement, in der Einflussnahme auf Entscheidungsgremien oder in Programmen zur Stärkung (oder Umgestaltung) von Krankenhausstrukturen.
Auch eine Veränderung der individuellen Gewohnheiten kann eine starke positive Wirkung entfalten. Denkbar sind etwa Einsparungen bei der Energie und damit bei den Kosten in Pflegeeinrichtungen, wenn systematisch nicht benötigte Lichter ausgeschalten werden. Auch das Pflegepersonal kann viel zur Sensibilisierung der Patient:innen und ihrer Umgebung beitragen. Dies führt zu einem Zusatznutzen für die menschliche Gesundheit und die Umwelt, sei es durch umweltschonende Mobilität oder durch gesunde, lokale und nachhaltige Ernährung (Senn, N.et al., 2022).
Im Jahr 2022 wurde bekannt, dass die Treibhausgasemissionen des Gesundheitssektors stetig steigen und mittlerweile 5,2% der gesamten globalen Emissionen ausmachen. Das ist mehr als das Doppelte des Luftfahrtsektors.
Als sich dieses Kinderkrankenhaus bewusst wurde, dass pro Woche fast 200.000 Paar Handschuhe bestellt werden, ergriffen drei Mitarbeiterinnen die Initiative, um durch die Kampagne "Gloves are off!" (Handschuhe weg!) die Pflegekräfte von der unnötigen Verwendung nicht steriler Handschuhe abzuhalten und ihr Verhalten zu ändern. Innerhalb eines Jahres wurden 21 Tonnen Plastik eingespart. Positive Auswirkungen zeigten sich auch bei den Angestellten (gesündere Hände) und den jungen Patient:innen (neue Erfahrungen).
Das städtische Krankenhaus Vila Santa Catarina (HMVSC) verfügt über ein internes Gasnetz, das Lachgas (N2O), ein Anästhesiegas, verteilt. Es wurde festgestellt, dass N2O für den Grossteil der Treibhausgasemissionen des HMVSC verantwortlich ist und immer häufiger eingesetzt wurde. Um die Verwendung von N2O in der täglichen medizinischen Versorgung besser zu verstehen, wurden Interviews mit dem medizinischen Personal, Pflegenden und klinischen Ingenieuren geführt. Durch vorgenommene Änderungen, die unter anderem beinhalten, dass N2O nur noch auf Anforderung verwendet werden darf, wird eine Reduktion der N2O-Emissionen um mindestens 80 % bei gleichbleibender Qualität der medizinischen Versorgung erwartet.
Auch in der Schweiz werden neue Initiativen ergriffen, zum Beispiel am Universitätsspital Genf (HUG), das für seine Nachhaltigkeitsstrategie 2030, deren erste strategische Achse sich auf das Klima konzentriert, den Exzellenzpreis der Internationalen Krankenhausvereinigung erhalten hat. Gelobt wurde insbesondere der partizipative Ansatz bei der Ausarbeitung von Massnahmen, an der über 500 Personen beteiligt waren. Das HUG ergreift bereits seit mehreren Jahren umweltfreundliche Massnahmen. So stammt beispielsweise seit über zehn Jahren 100% des Stroms aus erneuerbarer Energie und fast die Hälfte des Abfalls wird systematisch und vollständig recycelt.
Diese Beispiele unterstreichen die Bedeutung eines globalen Bewusstseins und Engagements sowie die Bereitschaft der Führungsebenen, Nachhaltigkeit auf allen Ebenen der Organisation zu einer Priorität zu machen.
Diese Beispiele unterstreichen die
Bedeutung eines globalen Bewusstseins und Engagements sowie die Bereitschaft
der Führungsebenen, Nachhaltigkeit auf allen Ebenen der Organisation zu einer
Priorität zu machen. Über die Führung einzelner Institutionen hinaus sind echte
Anstrengungen seitens der Gesundheitsbehörden und/oder der Dachverbände der
Krankenhäuser erforderlich, um die Dekarbonisierung des Sektors zu erleichtern,
was sogar zu einer Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung beitragen
könnte.
Wie beschrieben, gibt es viele Ansatzpunkte, um den CO2-Fussabdruck unseres Gesundheitswesens zu verringern und ein widerstandsfähigeres System zu schaffen, das sich für (echte) Gesundheit einsetzt und schonend mit Menschen wie der Umwelt umgeht. In diesem Sinne ist es wichtig, dass wir unser Wissen weltweit austauschen, während wir auf weitere Forschungsergebnisse warten.
Schliesslich lässt sich fragen, ob das westliche Modell des Krankenhauses mit seinem hohen Verbrauch an fossilen Brennstoffen, Einweggeräten und übermässigen Verschreibungen wirklich das ist, was weltweit in jedem Programm zur Stärkung von Spital- und Gesundheitsstrukturen erstrebenswert ist.
Um dieses Thema zu fördern und konkrete Unterstützung zu leisten, wurde 2022 von der International Hospital Federation das Geneva Sustainability Centre gegründet. Bereits jetzt lassen sich ein wachsendes Bewusstsein und die Zunahme von Initiativen beobachten. Wir ermutigen alle Organisationen, zu diesem notwendigen Wandel beizutragen.
Schliesslich lässt sich fragen, ob das westliche Modell des Krankenhauses mit seinem hohen Verbrauch an fossilen Brennstoffen, Einweggeräten und übermässigen Verschreibungen wirklich das ist, was weltweit in jedem Programm zur Stärkung von Spital- und Gesundheitsstrukturen erstrebenswert ist.
Im April 2022 wurde das Geneva Sustainability Centre von der Internationalen Krankenhausföderation in Partnerschaft mit dem Universitätsspital Genf (HUG) gegründet. Unser Ziel ist es, Führungskräfte im Gesundheitswesen mit Informationen, Instrumenten und Fähigkeiten auszustatten, um eine "positive Nettowirkung" anzustreben und damit gesunde Gemeinschaften und einen gesunden Planeten zu erreichen.
Das Team des Geneva Sustainability Centre wird von Sonia Roschnik geleitet, die unter anderem die Abteilung für nachhaltige Entwicklung der National Health Services (NHS) in England leitete, als "Greener NHS" als erstes Programm dieser Grössenordnung eingeführt wurde.