2000 einigte sich der Uno Millenniums-Gipfel auf acht konkrete Entwicklungsziele, um die schlimmste Armut und den Hunger bis 2015 zu halbieren. Das Millenniumsprogramm bildet seither den unbestrittenen internationalen Referenzrahmen für die Entwicklungszusammenarbeit, auch für die der Schweiz.

8 Millennium-Entwicklungsziele (MDGs)

  1. Hunger und Armut weltweit halbieren
  2. Grundschulausbildung für alle Kinder gewährleisten
  3. Gleichstellung und größeren Einfluss der Frauen fördern
  4. Die Kindersterblichkeit senken
  5. Die Gesundheit der Mütter verbessern
  6. HIV/Aids, Malaria und andere Krankheiten bekämpfen
  7. Eine nachhaltige Umwelt gewährleisten
  8. Eine globale Partnerschaft im Dienst der Entwicklung schaffen, faire Handels- und Finanzsysteme bilden, die Entwicklungshilfe erhöhen
 

Seit der Verabschiedung der Millenniumserklärung gab es gerade im Gesundheitsbereich einige Fortschritte: Dank Impfungen starben 75 Prozent weniger afrikanische Kinder an Masern. 2006 erhielten 1,6 Millionen aidskranke Menschen in Afrika Medikamente – über sechs Mal mehr als 2001. Aber noch immer ist Unterernährung die Hauptursache für Kindersterblichkeit, noch immer erkranken jährlich bis zu 500 Millionen Menschen an Malaria, noch immer ist die Hilfe für Trinkwasser und sanitäre Einrichtungen ungenügend. Zwischenbilanzen der Uno und anderer internationaler Organisationen zeigen: Die Millenniumsziele werden nur dann erreicht, wenn sich alle Länder erheblich stärker dafür engagieren.


Der Beitrag der Schweiz

Für die Umsetzung der Millenniumsziele sind in erster Linie die Entwicklungsländer selber verantwortlich. Sie verpflichteten sich, ihre Politik und ihre Staatsausgaben viel stärker darauf auszurichten, die Armut zu verringern, die Demokratie zu fördern und die Korruption zu bekämpfen. Die Industriestaaten ihrerseits verpflichteten sich, die Entwicklungsländer darin zu unterstützen - mit grosszügigen Schuldenerlassen, einem faireren Handels- und Finanzsystem und mehr Entwicklungshilfe. Das Uno-Millenniums-Projekt berechnete, dass sie dazu ihre Entwicklungsbudgets auf 0,7 Prozent des Wirtschaftsproduktes erhöhen sollten – das sind 70 Rappen pro 100 erwirtschafteten Franken. Diesen Prozentsatz empfehlen die Uno und andere internationale Organisationen seit Jahrzehnten.

„Mit ihrer grossen Exportwirtschaft, ihrem international gewichtigen Finanzplatz und als Sitz bedeutender Schlüsselindustrien und internationaler Organisationen trägt die Schweiz eine wichtige globale Verantwortung und verfügt gleichzeitig über ausreichenden Handlungsspielraum, um diese Verantwortung wahrzunehmen.“ (Rede von Bundesrätin Micheline Calmy-Rey in Zürich an der Jubiläumsveranstaltung 50 Jahre Helvetas, Juni 2005)

Die Schweiz hat die Millenniumsziele mit unterzeichnet, doch der Schweizer Bundesrat reagiert auf (Heraus-)Forderung des stärkeren Engagements für die Entwicklungszusammenarbeit widersprüchlich. Vor zwei Jahren versprach er der Uno, er werde 2008 eine Erhöhung des Entwicklungsbudgets beraten. Nach seinen bislang gültigen Finanzbeschlüssen wird aber das Budget bis 2015 auf 0,375 Prozent sinken. Das sind noch weniger als letztes Jahr: 2006 gab die Schweiz 0,39 Prozent für die Entwicklungszusammenarbeit aus.

0,7% - Gemeinsam gegen Armut: Die Petition

Armut ist ein Skandal. Darum fordern wir Parlament und Bundesrat auf,

  • sich stärker für die Millennium-Entwicklungsziele zu engagieren, damit die schlimmste Armut und die Zahl der Hungernden bis 2015 halbiert werden können;
  • die öffentliche Entwicklungshilfe bis 2015 schrittweise auf 0,7% des Bruttonationaleinkommens zu erhöhen;
  • diese Mittel gezielt zugunsten der Ärmsten und Benachteiligten dieser Welt sowie zum Schutz der Umwelt einzusetzen.


www.gemeinsamgegenarmut.ch

 

Diese „sparsame“ Haltung des Bundesrates – der eines der reichsten Länder der Welt regiert - ist international unverständlich und für viele BürgerInnen dieses Landes unakzeptabel. Deshalb hat sich ein breites Bündnis „0,7% -Gemeinsam gegen Armut“ gebildet. Über sechzig Hilfswerke, Frauen- und Jugendorganisationen, die grossen Umweltverbände, kirchliche Gruppierungen und die beiden Gewerkschaftsbünde setzen sich gemeinsam für ein stärkeres Engagement der Schweiz zugunsten der Millenniumsziele ein. Mit einer Petition fordern sie Parlament und Bundesrat auf, das Entwicklungsbudget wie die europäischen Nachbarn bis 2015 auf 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens zu erhöhen. Die Petition soll im nächsten Jahr dem neugewählten Parlament übergeben werden.

Mehr Geld für die Gesundheit

„Die Schweiz ist gegenwärtig im Gesundheitsbereich zwar an vielen Fronten tätig, doch die in diesen Bereich fliessenden Mittel der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit sind bescheiden.“(Schweizerischer Bundesrat, Millenniumsentwicklungsziele – Zwischenbericht der Schweiz, Mai 2005)

Mit seiner Einschätzung, dass der Beitrag der Schweiz an die internationale Gesundheitszusammenarbeit (zu) bescheiden ist, steht der Bundesrat nicht alleine da. Deshalb unterstützt auch das Netzwerk Medicus Mundi Schweiz die Kampagne "0.7% - Gemeinsam gegen Armut", die seiner eigenen Forderung entspricht. In seiner Erklärung "Für eine solidarische Gesundheits-Aussenpolitik der Schweiz" vom letzten Jahr hat sich das Netzwerk bereits letztes Jahr für eine deutliche Steigerung des schweizerischen Beitrags an die internationale Gesundheit ausgesprochen:

„Noch nie hatte die Menschheit so grosse technische und finanzielle Ressourcen, um die Probleme von Armut und Ungerechtigkeit zu lösen und um die weltweiten Gesundheitsprobleme zu bewältigen – und dennoch so wenig daraus gemacht. Wenn nun auch die Schweiz der internationalen Gesundheit neue Aufmerksamkeit schenkt, wenn sie bereit ist, zur Lösung der weltweiten Gesundheitsprobleme beizutragen, so ist dies weder kostenlos noch durch blosse Budgetkosmetik zu erreichen. Gesundheit kommt nicht von selbst und ist nicht blosses Nebenprodukt der allgemeinen Entwicklung. Es braucht spezifische Massnahmen im Gesundheitsbereich, insbesondere bei der Verbesserung des Zugangs aller Menschen zu Leistungen des Gesundheitsbereichs, die ihnen helfen, ihre Gesundheit zu fördern und zu erhalten, Krankheiten vorzubeugen und bestehende Krankheiten und Gebrechen zu behandeln und zu pflegen. Als reiches Land, welches stark von den durch die internationale Gemeinschaft geschaffenen Rahmenbedingungen für ihre wirtschaftliche Entwicklung profitiert, kann sich die Schweiz nicht den Erwartungen der übrigen Staaten nach einer angemessenen finanziellen Beteiligung an internationalen Verpflichtungen (burden sharing) verschliessen. Wir erwarten somit von der Schweiz, dass sie ihren finanziellen Beitrag an die Lösung der weltweiten Gesundheitsprobleme ihren Möglichkeiten und ihrer Verantwortung anpasst."

Der Gesundheitsbereich kann dabei nicht "über den Zaun fressen" und darauf spekulieren, dass angesichts der riesigen Herausforderungen und des grossen Bedarfs an zusätzlichen Mitteln Geld aus anderen Sektoren in die internationale Gesundheit transferiert wird. Die substantielle Erhöhung der öffentlichen Entwicklungshilfe auf 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens bildet deshalb auch für die in der internationalen Gesundheitszusammenarbeit tätigen Organisationen eine Schlüsselforderung.

Das Ziel ist nicht der Weg...

Schwieriger allerdings ist die Sache mit den Millenniumszielen. Sie sind ein wichtiger Bezugsrahmen, doch mit ihren einfachen Sätzen („HIV/Aids, Malaria und andere Krankheiten bekämpfen“) und Indikatoren (die Sterblichkeitsrate von Kindern um zwei Drittel verringern) verleiten sie zur Verwirrung zwischen Strategie und Ziel.

Der Kampf gegen einzelne Krankheiten ist gleichermassen kostenintensiv und publizitätsträchtig, das Erreichen einzelner, klar messbarer Ziele verlockend. Doch damit auf einzelne Zielsetzungen, Krankheiten oder Massnahmen fokussierte Programme überhaupt eine nachhaltige Wirkung entfalten können, sind gleichzeitig die schwachen Basisgesundheitssysteme der armen Länder entschieden zu stärken. Um eine Präventions-, Impf- oder Behandlungskampagne erfolgreich durchführen zu können, braucht es seine funktionierende Infrastruktur, ausreichendes und ausreichend geschultes Personal – und die allgemeine Erreichbarkeit der Gesundheitsdienste für die Bevölkerung.

Auch in der internationalen Zusammenarbeit hat sich deshalb die Erkenntnis durchgesetzt, das quantitativer „output“ nicht an den Staaten und den Menschen vorbei „organisiert“ werden kann, jedenfalls nicht, wenn nicht nur kurzfristige Kosmetik, sondern eine langfristige Veränderung angestrebt wird. Im Rahmen der Armutsreduktionsstrategien der Weltbank und des Versuchs einer Harmonisierung der Entwicklungszusammenarbeit („Erklärung von Paris“) wird deshalb wieder vermehrt auf die Unterstützung nationaler Entwicklungsstrategien gesetzt, verknüpft mit der Stärkung der Institutionen und Kapazitäten der Staaten. Und die privaten Organisationen der internationalen Gesundheitszusammenarbeit setzten gleichermassen auf die Stärkung der Strukturen der Zivilgesellschaft – seien es den Ausbau der nichtstaatlichen Gesundheitseinrichtung, sei es die Befähigung der Menschen, ihre Rechte beim Staat einzufordern.


Thomas Schwarz ist Co-Geschäftsführer von Medicus Mundi Schweiz und betreut die Kolumne „Med in Switzerland“ seit über zehn Jahren.

Quellen und weiterführende Literatur:

„0,7% - Gemeinsam gegen Armut“: Petitionstext, Unterschriftenformular und Hintergrundinformationen zur Kampagne. www.gemeinsamgegenarmut.ch

0,7 % – Gemeinsam gegen Armut. Argumente für eine Erhöhung der Entwicklungshilfe. alliance sud dokument 13, Juni 2007, http://www.alliancesud.ch/deutsch/files/D_PnDt13.pdf

Jacques Martin: A call for greater Swiss Investment in Global Health! In: Medicus Mundi Schweiz, Bulletin Nr. 104 / Mai 2007, Gesundheitspersonal: die Krise überwinden.

Für eine solidarische Gesundheitsaussenpolitik der Schweiz. Erwartungen der Mitglieder des Netzwerks Medicus Mundi Schweiz vom 16. Oktober 2006. In: Medicus Mundi Schweiz, Bulletin Nr. 103 / Januar 2007, Globale Gesundheit als aussenpolitische Herausforderung.

UN Millenniums-Projekt
http://www.unmillenniumproject.org