Von Eva Baumgartner, Jessica Friedel, Barbara Vogel und Manuel Wehrle
So vielfältig wie die Schweiz ist auch der Personalbestand in Schweizer Spitälern zusammengesetzt. Die multikulturelle Zusammensetzung der Teams stellt eine Herausforderung und eine Chance dar - wie der nachfolgende Bericht zeigt.
Multikulturelle Teams sind im Pflegealltag längst Normalität und spiegeln die kulturelle Diversität der Schweizer Bevölkerung wider. Bis zu 38% der Pflegenden in den Akutspitälern weisen ausländische Nationalitäten auf (Jaccard Ruedin & Widmer, 2010). In Alters- und Pflegeheimen liegt der Anteil bei 20% (Kocher & Oggier, 2010) und im ambulanten Bereich haben 13% der Pflegenden einen Migrationshintergrund (Rossel & Innern, 2007). Der Anteil ausländischer MitarbeiterInnen wird in Zukunft eher zunehmen (Rossel & Innern, 2007). Dies erleben wir auch in unserer Praxis: ‚monokulturelle‘ Teams existieren nicht!
Das Leitmotto „Nurses on the move“ führte uns durch den diesjährigen Masterkurs „Public Health“ am Institut für Pflegewissenschaft der Universität Basel. In einer Gruppenarbeit beleuchteten wir das Erleben von interkultureller Zusammenarbeit in Pflegeteams.
Nach der UNESCO bezieht sich Interkulturalität auf das Vorhandensein und angemessene Interaktionen zwischen verschiedenen Kulturen und die Möglichkeit, gemeinsame Auffassungen durch Dialog und gegenseitigen Respekt aufzubauen (UNESCO, 2011).
Wir befragten Pflegende verschiedener Institutionen aus dem Akut- und Langzeitbereich mit Hilfe einer Onlineumfrage in den Pflegeteams sowie durch Fokusgruppen- und Einzelinterviews mit offenen Fragestellungen.
Die Erfahrungsberichte aus Interviews und Onlinebefragung haben wir analysiert und zusammengefasst. Antworten auf die offenen Fragestellungen ordneten wir den Kategorien „Chancen“ und „Herausforderungen“ zu. Aus den Antworten leiteten wir Empfehlungen für die Praxis ab und stützten sie mit aktuellen Literaturergebnissen ab.
An den Interviews nahmen insgesamt 13 Pflegende teil (4 in der Fokusgruppe und 9 Einzelinterviews). Es konnten 26 Online-Fragebögen ausgewertet werden.
In der online Befragung zeigte sich, dass Pflegende die interkulturelle Zusammenarbeit in ihrem Team mehrheitlich positiv oder sehr positiv erlebten (s. Diagramm).
Viele Befragte äusserten, dass Multinationalität im Team eine Bereicherung ist, weil Pflegende voneinander lernen können. Sie berichteten, dass Unterschiede in Mentalität und Denkweise die Kreativität bei der Erarbeitung von Strategien zur Problembewältigung erhöhen. Sehr geschätzt wurde auch die Sprachvielfalt in den Teams: Ressourcen der Pflegenden konnten bei dringenden Übersetzungen im Alltag weiter helfen.
Pflegende mit Migrationshintergrund gaben den TeamkollegInnen wichtige Inputs zur Betreuung von ausländischen PatientInnen bzw. BewohnerInnen. Dieses interkulturelle Pflegeverständnis erhöhte laut den Befragten die Pflegequalität. Es zeigte sich, dass durch interkulturelle Teams vielfältiges Wissen, Erfahrungen und Fähigkeiten aufeinander treffen. Dies wiederum könne den Horizont für jedes Teammitglied erweitern. Mitglieder multikultureller Teams profitierten ausserdem von Pflegenden mit unterschiedlichsten Fähigkeiten, denn „jedes Land lehrt anders.“
Mehrheitlich empfanden die Befragten sprachliche Missverständnisse und mögliche Sprachbarrieren als hinderlich. Dabei wurde zusätzlich berichtet, dass Kommunikationsprobleme auch aufgrund verschiedener kultureller Hintergründe entstehen würden. Als Beispiel hierfür wurde ein offener und direkter Umgang mit Kritik genannt: Auf die einen Pflegenden wirkt diese persönlich verletzend, andere wiederum schätzen diese Kommunikationsweise sehr. Solche Missverständnisse und kulturelle Unterschiede erschwerten es laut den Befragten, im Team einen gemeinsamen Nenner bezüglich Haltung und Pflegeverständnis zu entwickeln.
Unterschiede in den Pflegeausbildungen der Herkunftsländer (und möglicherweise eine zusätzliche Sprachbarriere) führten zu Vorurteilen der Schweizer Pflegenden: Ausländische Pflegende berichteten, dass ihre Qualifikation und ihr Pflegeverständnis manchmal in Frage gestellt wurden. Pflegekräfte mit Migrationshintergrund im Pflegeheim-Setting berichteten von rassistischen Äusserungen durch BewohnerInnen. Sie fanden, dass solche Mitarbeiter besonderen Schutz erhalten sollten und der Umgang mit diesem sensiblen Thema eine Herausforderung im Team darstellte.
Einzelne Schweizer Pflegende äusserten die Befürchtung, dass durch die steigende Anzahl ausländischer Pflegekräfte, „Schweizerische“ Werte und Kultur an Bedeutung verlieren würden.
Die Stärken jedes einzelnen Mitarbeiters zu nutzen und sich seiner Schwächen bewusst zu werden, erhält in der Zusammenarbeit von interkulturellen Pflegeteams eine wichtige Bedeutung. Eine gemeinsame Berufsethik kann dafür als Basis genutzt werden, um Teammitglieder zusammen zu führen, denn „Ethik geht über die Kulturen und Religionen hinweg“ (Weiss, 2015, Seite 43). Toleranz, Sensibilität, gegenseitiger Respekt und eine gewisse Neugier am Gegenüber sind essentielle Attribute für eine gelungene und produktive Zusammenarbeit. Diese Attribute können unter dem Begriff ethnorelative Einstellung zusammengefasst werden (Lehmann & van Den, 2004). Die Förderung einer positiven ethnorelativen Einstellung im Team hängt wesentlich von den Leadership-Fähigkeiten der Führungspersonen ab. Interkulturelle Pflegeteams können je nach Führungsstil beziehungsweise -kompetenz besonders gut funktionieren oder auch scheitern (Dreachslin, Hunt, & Sprainer, 2000).
Die grössten Herausforderungen für interkulturelle Teams stellen Sprache und Kommunikation dar. Es gilt, eine gemeinsame Sprache zu finden, und zwar in Bezug auf Verständigungsschwierigkeiten und Sprachbarrieren aber auch hinsichtlich der Kommunikationskultur. Die Entwicklung einer gemeinsamen „Pflegesprache“ ist, basierend auf der Umfrage, ein wichtiger Faktor für das Funktionieren eines interkulturellen Teams und damit ein wesentlicher Bestandteil einer erfolgreichen Zusammenarbeit. Als mögliche Strategie, diese gemeinsame Sprache zu finden und zu fördern, nannten Befragte die Einführung von teambildenden Massnahmen, wie zum Beispiel eines Kultur-Cafés oder Teamevents.
Offenheit dem Anderen gegenüber ist essentiell. Ebenso wie ein interessierter, neugieriger und respektvoller Umgang gegenüber Teammitgliedern, mit einem anderen kulturellen Hintergrund. Dies wird das Leben, die Arbeit und die zwischenmenschlichen Beziehungen im Team sehr bereichern und letztendlich auch den PatientInnen zugute kommen. Denn „[durch die Arbeit im interkulturellen Team] werden sehr viele verschiedene Herangehensweisen eingebracht, es sorgt für Abwechslung und macht dadurch auch Spass.“ (Zitat aus der Online-Befragung)