Von Martin Leschhorn Strebel
Am 16. Januar 2012 veröffentlichte eine Koalition von 26 Organisationen unter der Federführung des Schweizer Berufsverbandes der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner (SBK) und des Netzwerks Medicus Mundi Schweiz ein Manifest zum Gesundheitspersonalmangel. Wir dokumentieren das Statement von Martin Leschhorn Strebel (MMS) anlässlich der Medienkonferenz.
Das Netzwerk Medicus Mundi Schweiz als Vertreter von über 40 in der internationalen Gesundheitszusammenarbeit tätigen Organisationen mischte sich im Sommer 2009 in die Diskussionen um eine Schweizer Haltung gegenüber den in der WHO verhandelten Kodex zur Rekrutierung von Gesundheitspersonal ein. Im Dialog den wir mit dem Bundesamt für Gesundheit dazu führten, ist uns bald schon aufgefallen, dass die Perspektive sehr Schweiz orientiert war.
Die Verwaltung nahm den Gesundheitspersonalmangel in der Schweiz sehr ernst, sah aber kein grundsätzliches Problem darin, wenn wir den Mangel hier mit Personal aus dem Ausland deckten. Ein hoher Beamter brachte es an einem unserer Roundtable folgendermassen auf den Punkt: „Japan produziert Autos für den Weltmarkt. Die Schweiz produziert Medikamente für den Weltmarkt. Was ist denn falsch daran, wenn die Philippinen Krankenschwestern für den Weltmarkt produzieren?“
Vor dem Hintergrund, dass der Mangel an Gesundheitspersonal in den Entwicklungsländern eine der zentralen Herausforderungen für die bereits schwachen Gesundheitssysteme darstellt, hatten wir ein Problem mit dieser Haltung. Denn auch wenn die Schweiz im Gegensatz zu anderen Ländern nicht – oder besser noch nicht – in den Entwicklungsländern direkt rekrutiert, kann sich die Schweiz nicht aus der Verantwortung stehlen. Wir haben immer darauf hingewiesen, dass, wenn die Schweizer Spitäler in der französischen Schweiz Personal aus Frankreich einstellen, die Grande Nation ihre Personalmangel mit Fachleuten aus den ehemaligen Kolonien zu beheben versucht. Etwa aus Togo, das unter dem Gesundheitspersonalmangel leidet und gleichzeitig mit einer hohen Säuglingssterblichkeit, mit Malaria und Tuberkulose.
Ein wesentliches Element des 2010 durch die Weltgesundheitsversammlung verabschiedeten Kodex’ ist die Aufforderung, dass jedes Land genügend eigenes Personal ausbildet, aber auch im Beruf hält. Mit dieser Forderung sind wir mit dem Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner ins Gespräch gekommen.
Daraus hat sich eine Zusammenarbeit ergeben, die auf den ersten Blick erstaunlich ist: Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit haben in der politischen Arbeit meist wenig Berührungspunkte mit Berufsverbänden und Gewerkschaften. Doch gerade der Gesundheitsbereich macht deutlich, dass gängige Wahrnehmungsunterscheidungen zwischen Entwicklungs- und industrialisierten Ländern, so nicht mehr funktionieren. Gesundheitsfragen sind global miteinander verhängt und müssen auch gemeinsam angegangen werden.
Die breite Unterstützung des Manifests durch so unterschiedliche Organisationen ist somit durchaus als Reaktion auf die Globalisierung zu sehen. Die Schweiz kann ihre Gesundheitspolitik nicht einfach nur isoliert gestalten, sondern sie muss auch globale Gesundheitsherausforderungen wie den Fachpersonalmangel im Kontext der internationalen Politik angehen. Dies ist durchaus auch als Appell an die zuständigen neuen Bundesräte Didier Burkhalter und Alain Berset zu verstehen. Es ist im Übrigen gerade auch eine Chance, dass im Departement für auswärtige Angelegenheiten der ehemalige Gesundheitsminister das Szepter übernommen hat.
Die Herausforderungen gerade im Gesundheitspersonalbereich ist gross – und in der Schweiz mit praktisch 26 verschiedenen Gesundheitssystemen besonders. Wir sind mit den unterschiedlichsten Arbeitgebern und Interessengruppen konfrontiert, die einen Einfluss auf die Personalpolitik haben: öffentliche und private Spitäler, den Bund, die Kantone, die Gemeinden, Spitexverbände und private Vermittler im Care Bereich etc.
Gerade deshalb ist es so wichtig, dass wir mit dem WHO-Kodex einen international verankerten Kodex haben. Doch dieser Kodex hat eine Schwäche – er ist als unverbindlich definiert, das heisst die einzelnen Staaten können ihn nach eigenem Gutdünken umsetzen.
Dies ist denn auch der Grund, weshalb das Netzwerk Medicus Mundi Schweiz gemeinsam mit dem SBK das nun vorliegende Manifest initiiert hat. Die breite Unterstützung setzt ein Zeichen der Zivilgesellschaft: Wir wollen, dass der Kodex durch die Schweiz und die Akteure im hiesigen Gesundheitswesen auch umgesetzt wird.
Das Manifest und Unterlagen zur Medienkonferenz:http://www.medicusmundi.ch/mms/services/dossiers/gesundheitspersonal-weltweiter-mangel
Die Medienreaktionen: http://www.medicusmundi.ch/mms/media/medienspiegel
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