Von Bettina Frei und Chandon Chattopadhyay
Die Stiftung Calcutta Project Basel ist ein interdisziplinäres Projekt von Studierenden der Universität Basel das sich seit 1991 der Entwicklungszusammenarbeit in Calcutta, Indien widmet. Die Grundidee, einen Beitrag zur Verbesserung der Lebensbedingungen von sozial benachteiligten Menschen zu leisten. ist bis heute die Motivation für seine freiwilligen MitarbeiterInnen. Das Besondere am Calcutta Project ist, dass die Organisation, die seit 1998 die rechtliche Form einer Stiftung angenommen hat, von Basler Studierenden ins Leben gerufen wurde, und dass die freiwilligen MitarbeiterInnen zum grossen Teil Studierende an der Universität Basel sind.
Wirkungsort des Calcutta Projects ist ein Viertel in der Altstadt Calcuttas, wo unser Partnerverein S.B. Devi Charity Home tätig ist. Die Arbeit vor Ort wird hauptsächlich von Einheimischen geleistet, die auch den Bezug zu den Menschen und dem Viertel haben. Mit einem Ambulatorium und einem neuen Health Center sind wir im Viertel eine Anlaufstelle für die Basisgesundheitsversorgung. Ziel ist es, den Menschen einen Zugang zu medizinischer Grundversorgung zu gewährleisten. Daneben laufen Programme der Prävention und Information: ein Schulkinder-Gesundheitsprogramm, ein Programm für die Gesundheit von Mutter und Kind sowie "Public Health in a Prositute Area", ein Programm zur Gesundheitsversorgung und sozialen Betreuung von Prostituierten**. Weitere Tätigkeitsbereiche des Calcutta Projects sind die Durchführung von wissenschaftlichen Studien sowie der Austausch von Studierenden zwischen Indien und der Schweiz.
Das Calcutta Project ist eine typische Freiwilligenorganisation, zumal unsere Geschäftsleitung aus Studierenden und nicht aus professionellen Organen besteht. Aber wir leisten professionelle Arbeit. Wir greifen auf unseren Erfahrungsschatz aus über zehn Jahren zurück und werden vom Stiftungsrat fachlich betreut. Im Patronatskomitee des Projekts sind einige Professoren der Universität Basel vertreten - eine grosse, wichtige Ressource. Auch sonst haben wir vielfältigen Zugang zu fachlicher Unterstützung, beispielsweise in der Zusammenarbeit mit dem Tropeninstitut Basel, dem Kantonspital und dem Kinderspital von Basel-Stadt. Auch die Mitgliedschaft bei Medicus Mundi Schweiz schafft Kontakte und gibt Inputs. Unsere gute Verbindung zu Ärzten von verschiedenen Basler Spitälern kommt uns im Rahmen zahlreicher Projekte zugute. Nicht zu vergessen sind die Kontakte, die jeder einzelne Freiwillige in unser Projekt einbringt. Da die MitarbeiterInnen des Calcutta Projects aus verschiedenen Fachrichtungen kommen, haben wir über die einzelnen Mitglieder immer die Möglichkeit, deren Netze zu nutzen, neue zu knüpfen und bestehende zu pflegen.
Unsere Geschäftsleitung beinhaltet verschiedene Ressorts. Da sind zum Beispiel eine oder mehrere Personen für die Öffentlichkeitsarbeit, für das Studentenaustauschprogramm oder für die Ausbildung der Projektmitglieder in der Schweiz und in Indien zuständig. Die Projektkoordination hält den Kontakt mit den PartnerInnen in Indien aufrecht, die Fachkommission ist für Forschungsthemen zuständige. Diese und weitere Aufgabenbereiche sind zwar klar voneinander abgegrenzt, aber je nach aktuellem Arbeitsaufwand springen Mitglieder aus anderen Ressorts ein und helfen mit. Diese Flexibilität ist notwendig, da die meisten von uns mitten im Studium stecken, für bevorstehende Prüfungen lernen oder Arbeiten schreiben müssen. So ist für jede/n hin und wieder die Zeit knapp. Dann müssen die anderen Mitglieder die Lücke füllen und vielleicht einen Mehraufwand in Kauf nehmen. Das ist der Preis für eine Freiwilligenorganisation, wo der zeitliche Rahmen für den freiwilligen, persönlichen Einsatz nicht festgelegt und manchmal im Zuge von zuviel Uni-Stress eben zurückgesetzt werden muss.
Die meisten von uns versuchen, möglichst oft die Geschäftsleitungssitzungen zu besuchen, die in der Regel alle zwei Wochen stattfinden. Hier laufen die Fäden zusammen, wenn man hier teilnimmt, ist man auf dem neusten Stand. Wir besprechen die aktuelle Situation, planen anstehende Aktionen und verteilen Aufgaben an die MitarbeiterInnen. Da immer die Gefahr besteht, dass wichtige Geschäfte vergessen werden, wird eine Liste der anstehenden Aufgaben zur Erinnerung und zur Kontrolle geführt. Da wir innerhalb der Geschäftsleitung nicht hierarchisch organisiert sind, aber über unterschiedliche Kompetenzen in verschiedenen Bereichen verfügen, können alle ihre Ideen und Vorschläge einbringen und je nach Konsens auch umsetzen. Diese Art von Aufgabenverteilung gestattet den Einzelnen ein hohes Mass an Eigenverantwortung, wo auch individuelle Erfahrungen gesammelt werden können, die wiederum zurück in unser Projekt fliessen können. Bei speziellen Themen, die einen bestimmten Arbeitsaufwand erfordern, wird an der Sitzung eine spezielle "Task-Force" gebildet, bestehend aus einigen Mitgliedern, die sich ausserhalb der offiziellen Sitzungszeit treffen, ihr Thema im Rahmen dieser Treffen zusammen bearbeiten und oft rasch zu einem Ziel kommen. Natürlich ist nicht jede Arbeitsgruppe so produktiv, wie sie vielleicht sein könnte, und manchmal muss ein zweiter oder dritter Anlauf zur Bearbeitung eines Problems genommen werden.
In einer Freiwilligenorganisation, wo alles von der Zuverlässigkeit und dem persönlichen Engagement jedes einzelnen Individuums abhängt, ist der Idealfall nicht immer zu erreichen. Da bedarf es manchmal der Intervention, spontaner Mithilfe oder ganz einfach des Verständnisses der anderen Projektmitglieder. Wir brauchen natürlich auch das Verständnis und die Mithilfe unserer Partner in Indien, die, im Gegensatz zu uns, hauptamtlich arbeiten. Es ist ihnen bewusst, dass die meisten von uns Studierende sind, und dass wir unseren Teil der Zusammenarbeit auf der Basis der Freiwilligkeit leisten, professioneller Anspruch hin oder her...
Gemessen an der Tatsache, dass fast alle aktiven Projektmitglieder Studierende sind, ist die Fluktuation der Mitarbeitenden relativ niedrig. Im Durchschnitt sind die Studierenden für eine Zeitspanne von etwa drei bis vier Jahren dabei, was relativ lang ist, da sich die Zeit der Mitarbeit meist auf die Dauer des Studiums beschränkt. Wir haben relativ viel Nachwuchs zu verzeichnen, obwohl die Tendenz der Studierenden, Freiwilligenarbeit zu leisten, eher abnimmt. Wir sind ständig darum bemüht, neue Mitglieder zu finden.
Natürlich ist es auch wichtig, dass wir für die Zusammenarbeit im Projekt eine Basis des gegenseitigen Vertrauens haben. Viele der Mitglieder kennen sich auch privat, und bei Projekten aller Art lernt man sich leicht besser kennen. Wir versuchen auch, regelmässig Anlässe zu organisieren, wo wir auch ausserhalb der Arbeit beisammen sein können und wo die Zusammengehörigkeit gefördert wird.
Grundsätzlich empfinden wir die Mitarbeit beim Calcutta Project als grossartige Gelegenheit, nebst dem oft trockenen, theoretischen Studium ganz konkrete und praktische Arbeit zu leisten, und uns fachliche und soziale Kompetenzen anzueignen und Erfahrungen zu sammeln, die eventuell im späteren Leben von praktischem Nutzen sein werden.
Wir sind uns bewusst, dass jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter für seine persönliche Zukunft etwas aus der Arbeit bei unserem Projekt mitnehmen möchte, als immateriellen Gewinn für den geleisteten Arbeits- und Zeitaufwand. Wir planen deshalb, ein offizielles Bildungsprogramm für die freiwilligen MitarbeiterInnen begleitend zum Projekt aufbauen, damit jede und jeder eine echte Ausbildung im Bereich Entwicklungszusammenarbeit geniessen und sich Kompetenzen, welche auch im persönlichen Umfeld eingesetzt werden können, erwerben kann. Zusätzlich zur informellen Bildung käme eine professionelle Schulung und Ausbildung der MitarbeiterInnen dazu, was auch als weiterer Ansporn dienen könnte, bei uns Freiwilligenarbeit zu leisten.
*Bettina Frei ist Projektkoordinatorin in der Geschäftsleitung und Soziologiestudentin, Chandon Chattopadhyay ist Pädiater, Gründungsmitglied und jetzt Stiftungsrat im Calcutta Project Basel. Kontakt: www.unibas.ch/calcutta/ , calcutta@stud.unibas.ch
**siehe Bulletin Nr. 77 von Medicus Mundi Schweiz, Bulletin 77